Die Bedeutung von Machine-Learning für Absatzprognosen
Sep 1, 2017 • 5 minGute Prognosen sind die Basis für eine umfassende Supply-Chain-Planung und der daraus resultierenden Optimierung von Prozessen und KPIs. Je schlechter die Prognosen sind, desto höher sind Abschreibungen, Warenverderb im Lebensmittelbereich oder das gebundene Kapital. Um diese Basis so exakt wir möglich zu berechnen, bedarf es verschiedener Tools.
Machine-Learning ist derzeit in aller Munde. Aber wie wirkt es sich auf Absatzprognosen aus? Machine-Learning steht noch nicht auf einer Stufe mit Künstlicher Intelligenz, aber beinhaltet die „künstliche“ Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein künstliches System lernt aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. Das System „erkennt“ also Muster und Gesetzmäßigkeiten und kann so auch unbekannte Daten beurteilen und dadurch Entscheidungen treffen oder vor Fehlern warnen. Doch worauf kommt es beim Machine-Learning wirklich an und was ist sein Nutzen? Momentan berechnen wir für unsere Kunden um die 10 Milliarden Prognosen pro Tag und 100 Milliarden in der Woche. Da kann ein bisschen zusätzliche Hilfe nicht schaden.
Unsere Prognosemethodik war schon immer sehr praktisch orientiert – Prognosen sind wichtig, um bestimmte Geschäftsentscheidungen treffen zu können. Je genauer die Prognose ist, desto besser ist die Entscheidung. Der zeitliche Rahmen und die Art der Entscheidungen definieren, was eine gute Prognose ausmacht – sie bestimmen oft, welche Daten für die bestmögliche Prognose verfügbar sind. Eine kompakte Zusammenfassung der Entwicklung unserer Prognosemethodik finden Sie in unserem Whitepaper “Machine-Learning für Absatzprognosen im Handel: Der komplette Guide“.
In letzter Zeit erscheinen mehr und mehr Veröffentlichungen über den Nutzen von Machine-Learning für Absatzprognosen. Natürlich nutzen wir bei RELEX Machine-Learning. Dennoch finde ich den Hype, der aktuell um diese Technologie betrieben wird, sowohl verwirrend als auch störend. Doch dazu später mehr.
Bei RELEX sind wir in der angenehmen Position, beim Prognostizieren von Bedarfen im Einzelhandel das Maximum aus Machine-Learning herauszuholen. Dafür gibt es drei Gründe:
- Unerreichte Schnelligkeit und Leistungsstärke bei Machine-Learning-gestützten Kalkulationen mit außerordentlich großen Datensätzen: RELEX arbeitet mit einer eigens entwickelten In-Memory-Datenbank, die immense Datenmengen aus Einzelhandelsumsätzen und Supply-Chain extrem stark komprimieren kann. Das erlaubt speichergestütztes und sehr schnelles Verarbeiten von Abfragen aus riesigen Datensätzen.
- Warnung der Nutzer vor möglichen „Überanpassungen“, die zu „Prognosenervosität“ führen, bevor Machine-Learning-gestützte Prognosen live genutzt werden: RELEX bietet native Unterstützung für die Kalkulation und den Vergleich zahlreicher Versionen einer Prognose mithilfe verschiedener Modelle. Das bedeutet, dass eine Machine-Learning-gestützte Prognose ständig mit beispielsweise einer zeitreihenbasierten Prognose verglichen werden kann. Manchmal sind Prognosen „überangepasst“. In anderen Worten: Wenn der verwendete Datensatz zu klein ist, wird das Modell für eine sehr begrenzte Anzahl an Umständen kalibriert, darunter Ausreißer und Hintergrundrauschen der Stichprobe. Das führt zu dem, was wir „Prognosenervosität“ oder „Prognoseflattern“ nennen: instabile, fehleranfällige Prognosen. (Um diese zu vermeiden, sollte man sicherstellen, dass das Modell die Grundgesamtheit approximiert, nicht nur die aktuelle Probe.) Die Kalkulation mehrerer Prognosen durch verschiedene Prognosemodelle ermöglicht es, Prognosen anhand mehrerer Vergleichswerte auf ihre Genauigkeit hin zu überprüfen. Überschreiten die Abweichungen eine bestimmte Grenze, warnt das System die Analysten, sodass sie zusätzliche Tests vornehmen können.
- Möglichkeit für Nutzer, die Prognosen zu wählen, die für ihren jeweiligen Geschäftsbereich am besten geeignet sind, nicht nur die, die die höchste Genauigkeit liefern: Die RELEX-Lösung bietet Kunden native Unterstützung für vergangene und zukünftige Dispositions- und Bestandssimulationen. Dafür werden mehrere Prognosemethodiken genutzt, die Prognosen mit Supply-Chain-Dynamiken und Kalkulationen des Sicherheitsbestands kombinieren. Dann erst kann beispielsweise entschieden werden, eine Prognose zu verwenden, die für geringstmögliche Out-of-Stock-Level statt einfach nur für die höchste Genauigkeit optimiert ist.
Wie oben erwähnt, glaube ich demnach, dass wir in einer sehr guten Position sind, um von Machine-Learning-Prognosen zu profitieren. Jedoch sollte der Fokus auf der Qualität der Prognosen und ihrer Eignung für ihren Einsatzzweck liegen – und nicht darauf, wie sie erzeugt wurden.
Also was macht eine gute Supply-Chain-Prognose aus?
- Kalkulierbare Fehlergrade in der Prognose. Absehbare Fehler bieten zwei direkte Vorteile:1. Die Supply-Chain kann auf Basis der Prognose optimiert werden – wir können Sicherheitsbestände mit hoher Präzision kalkulieren und haben einen sehr stabilen Servicegrad.2. Nutzer lernen schnell, der Lösung zu vertrauen, was die Implementierung und den Rollout vereinfacht.
- Die Prognose unterstützt ausnahmebasierte Arbeitsmodelle. Die Lösung erkennt, ob Analysten oder Disponenten die Prognose prüfen sollten, und warnt sie rechtzeitig. Das heißt, dass ein kleines Team aus drei bis fünf qualifizierten Analysten eine Einzelhandelsoperation mit tausenden Filialen und Millionen Datensätzen managen kann. Es ist immer besser, Prozesse so zu gestalten, dass sie von einem kleinen Expertenteam geführt werden können statt von einem Team aus vielen, weniger erfahrenen Personen.
- Die Prognosen sollten das Arbeiten in verschiedenen Zeitrahmen unterstützen. Unsere Kunden treffen eine Vielzahl von Supply-Chain-Entscheidungen mit unseren Prognosen nach dem Bottom-up-Prinzip (z.B. von der SKU-Standort-Ebene aus kalkuliert.) Das kann mit dem optimierten Bestandsaufbau für Weihnachten sechs Monate vor dem Saisonstart beginnen und mit der Allokation einer Charge neu empfangener Frischeprodukte auf Basis der aktuellsten Daten enden. Manchmal (besonders bei langfristigen Prognosen) gibt es kaum oder gar keine Information über das Wetter, Preise der Konkurrenz oder sogar über eigene Preise und das eigene Sortiment, aber Materialflüsse müssen trotzdem abgebildet werden. Dafür gibt es eine Fülle an Daten, die genutzt werden können. Mit jedem neuen Stück an Information, das die Analysten enthalten, lassen sich die Prognosegenauigkeit und -dynamik einfach prüfen und nachverfolgen.
Das Problem von Machine-Learning-gestützten Prognosen liegt darin, dass es einfach ist, sie falsch zu verstehen. Besonders, wenn sie „ungezähmt“ sind, also nicht auf die Checks und Balancen des komparativen Ansatzes eingestellt sind, den wir empfehlen, um die effektive Passgenauigkeit sicherzustellen. Der Markt ist übersäht mit gescheiterten Applikationen von Machine-Learning-gestützten Supply-Chain-Prognosen. Allzu oft liegt der Grund für dieses Scheitern in der Bereitschaft, Jahre und Millionen zu investieren, um die Applikationen zum Laufen zu bringen – nur, um am Ende aufgeben zu müssen. Es gibt viele solcher Projekte. Das häufigste Problem sind überangepasste Modelle, die instabile, flatternde oder nervöse Prognosen mit extremen Werten produzieren. Eine oder zwei davon können schnell das Vertrauen der Nutzer verspielen, und das macht die Implementierung viel schwieriger. Wenn Fehler nicht früh beseitigt werden, können die Entscheidungen, die auf ihrer Basis getroffen wurden, desaströse finanzielle Konsequenzen haben.
Sich zu stark auf die Nutzung von Machine-Learning in der Prognostizierung zu fokussieren ist wie die Nutzung eines Hammers als einziges Werkzeug für einen Hausbau. Ein gutes Haus zu bauen erfordert eine große Spanne an guten Werkzeugen. Und letztendlich sollte ja auch die Qualität des Hauses im Mittelpunkt stehen, nicht Ihre Entschlossenheit, es nur mit einem Hammer zu bauen.