Es gibt kein richtiges Sortiment im falschen Regal

Jul 12, 2018 6 min

Der Begriff des Category-Managements ist dabei, sich im deutschen Einzelhandel zu etablieren: In Stellenanzeigen werden immer häufiger Category-Manager, -Planner oder -Adviser gesucht. Es gibt also Bedarf an Menschen, die fundiertes Wissen auf diesem Gebiet haben. Doch wie genau können Einzelhändler von diesem Wissen profitieren?

Um den Absatz und die Kundenbindung zu steigern, müssen Produkte nicht nur in der richtigen Menge in der richtigen Filiale stehen – sondern genau in dem Regal auf der Ebene, in der Shopper nach ihnen suchen. Oder auch dort, wo sie nicht gesucht werden müssen, sondern mitgenommen werden, weil man wortwörtlich nicht an ihnen vorbeikommt.

Wer kennt das nicht? Man möchte abends nach der Arbeit nur schnell die nötigsten Lebensmittel besorgen und dann schnell auf das heimische Sofa. Während man also durch die Gänge eilt, strahlt sie einem plötzlich entgegen: Die Packung Chips. Die steht natürlich nicht auf der Einkaufsliste, weil man sie nie auf die Liste setzt, es sei denn für Parties oder gemeinsame Filmeabende. Das wissen auch die meisten Filialleiter. Deshalb stehen Sie jetzt auch vor dieser Chipstüte aus dem Snackregal. Das mussten Sie unweigerlich passieren, um zu den Produkten zu kommen, die eigentlich auf ihrer Liste stehen. Sie zögern. Ein schwacher Moment und die Packung landet im Einkaufswagen. Chips und Süßigkeiten zählen damit klar zu den sogenannten Impulskäufen, die ungeplant sind. Wenn Sie jetzt wieder aus Ihrer Rolle als Shopper in die Rolle als Verkäufer schlüpfen, dann haben Sie sicherlich entschieden, die Chips dort zu positionieren, wo keiner an ihnen vorbeikommt. Wenn sie nicht sowieso schon dort stehen. Es gibt tatsächlich die optimale Anordnung und Anzahl verschiedener Kategorien innerhalb der Filiale – und diese unterscheidet sich meistens von der optimalen Anordnung in der Nachbarfiliale mit anderem Kundenstamm. Aber damit noch nicht genug.

Für maximalen Umsatz reicht es nicht, wenn Sie einfach Kartoffelchips anbieten. Sie brauchen verschiedene Geschmacksrichtungen in verschiedenen Preisspannen. Und wenn der Kunde schon zu den Chips gegriffen hat, dann könnte man sein Augenmerk auch auf das perfekt dazu passende Feierabendbier lenken. Aber wird das nicht zu unübersichtlich? Ein optimales Sortiment kann es nur geben, wenn die optimalen Produkte optimal im für sie optimierten Regal angeordnet sind. Das heißt, sie müssen an richtiger Stelle, in richtiger Stückzahl mit den richtigen Facings auf richtiger Höhe im richtigen Abstand und in der richtigen Halterung neben den richtigen Nachbarprodukten stehen. Die Häufung des Begriffs „richtig“ im letzten Satz impliziert bereits, wie viel dabei falsch laufen kann. Aber das Gute an der Sache ist (zumindest aus Category-Sicht): Wir sind alle immer auch selbst Konsumenten und können uns deshalb leicht in die Shopper-Perspektive einfühlen. Damit können wir viele Kaufentscheidungsprozesse unserer Kunden bereits intuitiv nachvollziehen und einordnen, welches Produkt wo erwartet wird. Denn nicht zuletzt sind typische Regalanordnungen im Supermarkt eine Art kulturelles Gut, das man von Kindesbeinen an erlernt.

Schlimmer als ein tatsächlicher Out-of-Stock ist nur eins: Ein gefühlter Out-of-Stock.

Schlimmer als ein tatsächlicher Out-of-Stock ist nur eins: Ein gefühlter Out-of-Stock. Wer Nutella in das Schokoladenregal stellt statt zu den Brotaufstrichen, der wird nicht nur auf einer Europlatte Schoko-Nuss-Aufstrich sitzen bleiben, sondern auch aktiv Kunden vergraulen. Denn die wenigsten Shopper machen sich die Mühe einen Filialmitarbeiter zu fragen, wenn sie ein Produkt nicht finden. Es ist wahrscheinlicher, dass sie künftig ihren gesamten Einkauf beim Wettbewerb nebenan erledigen, wo das Nutellaglas im gewohnten Umfeld steht.

Allerdings sollten Sie sich bei Ihren Überlegungen zur Produktplatzierung nicht nur auf Ihr Bauchgefühl verlassen. Nicht umsonst werden viele Ressourcen in die Erforschung von Kaufentscheidungsbäumen gesteckt. Die einzelnen Abwägungen, die Kunden auf dem Weg zur endgültigen Produktwahl treffen, sind keineswegs für alle Kategorien identisch. Im Gegenteil: Während der Shopper bei Schokolade oft zuerst nach der Marke sucht und dann nach Größe und Geschmacksrichtung, sucht er beim Deo zuerst nach dem Geschlecht: Soll ein Deo für Frauen oder Männer gekauft werden? Dann zählt die Art: Spray, Roller oder Stift? Erst dann kommt die Marke ins Spiel. Es ist also wichtig, den Kaufentscheidungsprozess für jede Kategorie zu kennen, um Produkte optimal im Regal zu platzieren. Ist dieser Schritt getan, weiß man aber immer noch nichts über die richtige Produktauswahl, Stückzahlen und Anzahl der idealen Facings pro SKU.

Um die idealen Artikel für die jeweilige Filiale zu bestimmen, ist es wichtig, den dortigen Kundenstamm zu kennen. Liegt Ihre Filiale neben einer Mädchenschule, brauchen Sie weniger Deos für Männer. Dafür müssen Sie allerdings die Auswahl von Duftdeos innerhalb der Kategorie „Damen-Deo“ erhöhen. Denn Teenager achten bei einem Deo vorrangig auf den Geruch. Für die Filiale neben dem betreuten Wohnen für Senioren können Sie auf den Himbeer-Vanille-Einhorn-Duft verzichten, sollten Ihr Sortiment aber mit Anti-Transpiranten aufstocken. Die stehen dann am besten auf Augenhöhe, sodass die Shopper sich weder danach bücken noch strecken müssen.

Alles in allem wird Einzelhändlern also viel Wissen und strategische Planung abverlangt. Schon für eine Filiale bedeutet das viel Aufwand. Aber wenn Sie sich von der Konzernzentrale aus um die lokale Optimierung aller Filialen kümmern sollen, dann artet das schnell in Stress aus. Dabei sind Sie allerdings keineswegs auf sich allein gestellt, und sie müssen auch nicht alles auf einmal schaffen: Es ist im Category-Management üblich, nicht gleich ein ganzes Sortiment, sondern Kategorien zu optimieren, und zwar je nach ihrer strategischen Bedeutung. Schauen Sie sich Ihre Kategorien also genau an: Mit welcher heben Sie sich vom Wettbewerb ab und locken Ihre Zielkunden an (Profilierungskategorie)? Auf welche können Sie einfach nicht verzichten, weil Kunden erwarten, dass sie vorrätig sind (Pflichtkategorien) und welche sind optional (Ergänzungskategorien) und kommen daher auch mit weniger Auswahl aus? Ist die Rollenverteilung der Kategorien klar, können Sie loslegen. Holen Sie sich Unterstützung aus der Industrie durch Vertreter der jeweiligen Kategorie-Ankermarken. Viele Industriepartner beschäftigen bereits Category-Adviser oder -Manager, die bei der Sortimentsoptimierung helfen. Da der Umsatz aller Marken von einer optimierten Regalanordnung der Produkte profitiert, werden Category-Experten bei einer Kategorieoptimierung neutral vorgehen. Es ist auch üblich, dass Experten aus zwei Konzernen zusammen eine Kategorie optimieren.

Was jetzt geschieht, klingt einfach – und mit den richtigen Tools ist es das auch. In Planogrammen, also digitalen Abbildungen der Regalflächen und den darin angeordneten Produkten, kann mithilfe von historischen Umsatzzahlen und Marktdaten die ideale Menge an Facings für alle Produkte definiert werden.

Eine gute Software übernimmt viel Routinearbeit und erleichtert einem das Leben als Sortimentsverantwortlicher auf so vielen Ebenen.

Als ich in einem Seminar erfuhr, dass State-of-the-Art bei der Regalbestückung noch immer Excel ist, war ich schockiert. Ich arbeite in einem Software-Unternehmen, das Handelsprozesse mit innovativer und effizienter Technologie automatisiert und Sortimente filialspezifisch optimiert. Deshalb ging ich automatisch davon aus, dass Industrie und Handel auch Software zur Sortimentsoptimierung und Bestandsprognose nutzen. Eine gute Software übernimmt viel Routinearbeit und erleichtert einem das Leben als Sortimentsverantwortlicher auf so vielen Ebenen – werfen Sie einen Blick auf die Lösungen auf unserer Homepage.

Doch bei vielen Händlern werden Prozesse oft noch manuell ausgeführt. Selbst wenn statt Excel eine Software für die Erstellung von Planogrammen zum Einsatz kommt, so geschieht dies oft zentralisiert und alle Filialen erhalten identische Planogramme. Mit Glück ist in diesen eine kleine Fläche für filialspezifische Abweichung vorgesehen. Bei RELEX sieht die Category-Welt anders aus: Von mobilen Endgeräten greifen alle beteiligten Filialmitarbeiter auf die erstellten Planogramme zu und stimmen sie in Echtzeit mit der Zentrale ab. Zum Beispiel kann ein Kollege in der Filiale das digitale Planogramm vom Tablet aus mit dem Regal abgleichen und Anpassungen vornehmen, die die Zentrale direkt bestätigt. Es bedarf keiner PDFs, die ausgedruckt, manuell bearbeitet und per E-Mail oder gar Fax hin- und her versendet werden. Eine lokal adaptierte Regalflächenplanung steigert Umsatz und Margen, erhöht die Verfügbarkeit und den Lagerumschlag und reduziert Abfall sowie den Arbeitsaufwand in der Regalbestückung.

Es gibt also viele Gründe, die für eine Sortimentsoptimierung nach Category-Management-Methoden sprechen – und keine dagegen. Denn selbst wenn wir alle auch immer Shopper sind und so die Anforderungen der Einzelhandelskunden kennen – fundiertes Daten-Management übertrumpft Intuition und Bauchgefühl. Von optimierten, filialspezifischen Sortimenten profitieren Sie in beiden Rollen: Als Shopper und als Einzelhändler. Als Shopper können Sie Ihren Einkauf schnell und effizient erledigen und finden Ihre Lieblingsprodukte auf Anhieb. Dabei gewinnen Sie auch als Händler, denn zufriedene, treue Kunden steigern nachhaltig den Umsatz. Durch flexible, intelligente Technologie optimierte Sortimente reduzieren Out-of-Stocks, Verderb, Kapitalbindung und Lagerbedarf und verschaffen Ihnen Wettbewerbsvorteile. Vernetzen Sie also Ihre Abteilungen und Handelspartner und optimieren Sie Ihren Category-Prozess, bevor es die Konkurrenz tut.

Beitrag von

Anne-Katrin Masuch

Team Lead DACH Talent Management & Content