Kampagnen werden immer dann zur Sprache gebracht, wenn ich frage, welche Produkte oder Situationen in der Lieferkette von Konsumgütern Probleme verursachen. Auf meine Nachfrage, was denn an Kampagnen so schwierig sei, kommt normalerweise die Antwort „Alles“. Das Erstellen der Prognosen sowie die Durchführung und Verfolgung der Kampagnen können selbst Profis des Lieferkettenmanagements Kopfschmerzen bereiten.
Die Situation ist jedoch keineswegs hoffnungslos. Man kann auch einen Elefanten essen – wenn er in kleine Stücke geschnitten wird! Nach diesem Motto lässt sich auch das Kampagnenmanagement entwickeln: Schritt für Schritt.
In diesem Artikel möchte ich Sie zur Optimierung der Planung, Prognostizierung und Verfolgung von Kampagnen beraten. Ich erkläre Ihnen auch, welche Anforderungen die einzelnen Entwicklungsphasen hinsichtlich der Ausgangsdaten und Aktionsmodelle stellen. Ich will dabei meinen eigenen Grundsätzen treu bleiben und mir nicht zu viel auf einmal vornehmen: Die detaillierte Besprechung der Nachschuborganisation für die Läden bleibt einem späteren Artikel vorbehalten.
1. Unterscheidung von Kampagnenabsatz und Normalabsatz
Kampagnen leben nach wie vor im Excel-Urwald, auch wenn alle übrigen Unternehmenstätigkeiten schon von diversen Steuerungssystemen erfasst sind. Der erste Schritt hin zu einem effizienteren Kampagnenmanagement besteht darin, den Kampagnenabsatz im ERP-System als einen eigenen Verkaufsposten zu klassifizieren.
Durch die Unterscheidung zwischen Kampagnen- und Normalabsatz kann eine erheblich höhere Prognosegenauigkeit erzielt werden. Bei der Prognostizierung des Normalabsatzes werden die Absatzspitzen der Kampagnenautomatisch außer Acht gelassen. Die Kampagnenspitzen verfälschen somit nicht die Absatzprognosen nach der Kampagne, und die Prognosegenauigkeit für die Phasen zwischen den Kampagnen verbessert sich dementsprechend.
In der Praxis verlangt dieser erste Schritt vor allem zweierlei:
- Aufteilung des Gesamtabsatzes auf zwei Posten: Normalabsatz und Sonderabsatz.
- Verwendung des bereinigten Absatzverlaufs, aus dem die Kampagneneffekte eliminiert wurden, um Prognosen zu erstellen.
Häufig sind die für die Aufteilung des Absatzes benötigten Kampagnendaten bereits in den Systemen verfügbar. Wenn mit der Kampagne eine Preisänderung verbunden ist, hinterlässt dies unweigerlich Spuren im EPR- oder Kassensystem. Es kommt darauf an bei den Prognosen auf diese Daten zurückzugreifen.
2. Kampagneneffekt verfolgen
Die Differenzierung zwischen Kampagnenabsatz und Normalabsatz erleichtert die Kontrolle der Kampagnen erheblich.
Insbesondere lässt sich die von der Kampagne verursachte Absatzveränderung leicht ermitteln, indem für den fraglichen Zeitraum eine mathematische Prognose auf Grundlage des Normalabsatzes erstellt wird. Es genügt die Differenz zwischen dem tatsächlich realisierten Absatz und der Basisprognose zu betrachten.
Aus dieser Differenz kann der, durch die Kampagne bewirkte, absolute und prozentuale zusätzliche Absatz ermittelt werden. Außerdem ist es möglich, die Genauigkeit der Kampagnenprognosen zu kontrollieren, indem die Prognosen jeweils mit dem tatsächlich realisierten Absatz verglichen werden.
Eine systematische Verfolgung trägt zu einer höheren Genauigkeit der Kampagnenprognosen bei. Je mehr Daten über die Wirkung von früheren Kampagnen vorliegen, desto leichter ist es, Prognosen für neue Kampagnen zu erstellen. Die Verfolgung der Prognosegenauigkeit beschleunigt auch die Lernprozesse – je umfassender das Feedback von den Kampagnenprognosen ist, desto schneller können sich wiederholende Probleme (wie z. B. überoptimistische Prognosen) vermieden werden.
Sofern die zur Verfügung stehenden Berichterstattungs-Tools dies zulassen, kann es sich auch lohnen, die Wirkung einer Kampagne auf den Absatz der gesamten Produktgruppe und die Rentabilität zu verfolgen. Dies erleichtert die Unterscheidung zwischen Kampagnen, die tatsächlich wirtschaftlich sinnvoll sind, und solchen, die letztlich nur die Rentabilität schwächen.
Beispiel: Eine Einzelhandelskette nimmt zunächst an, dass der Absatz einer bestimmten Produktgruppe rückläufig ist, da in Euro gerechnet erhebliche Umsatzeinbußen verzeichnet werden. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass der Absatz in Stückzahlen das frühere Niveau wieder erreicht hat. Zu einem Umsatzrückgang kam es, weil sich die Nachfrage aufgrund der durchgeführten Kampagnen auf weniger rentable Produkte verlagert hat. Durch die Kampagnen war also nicht der Absatz gesteigert, sondern nur die Wirtschaftlichkeit der Produktgruppe reduziert worden.
3. Nutzung mathematischer Modelle auch für Kampagnenprognosen
Bei einer einzigen Kampagne ist die manuelle Erstellung einer Prognose vielleicht noch machbar. Was aber, wenn Absatzprognosen für Dutzende oder Hunderte von Läden benötigt werden?
In der Praxis ist die zentralisierte Erstellung von ladenspezifischen Kampagnenprognosen mit zu viel Arbeit verbunden. In der Vergangenheit wurde in der Regel versucht, dieses Problem auf eine der folgenden Weisen zu umgehen: 1) Die Belieferung aller Läden erfolgte auf Grundlage einer einheitlichen, zentral erstellten Kampagnenprognose, oder 2) das Problem wurde den einzelnen Läden zugeschoben, indem Vorausbestellungen auf Basis der Kampagnenprognosen verlangt wurden. Es ist klar, dass beide Modelle zu schlechten Ergebnissen führen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein und dieselbe Prognose allen Läden gerecht wird. Je nach den demografischen Faktoren und der lokalen Wettbewerbssituation kann die Wirkung einer Kampagne zwischen den einzelnen Läden erheblich variieren. Die Bestellverantwortlichen wiederum sind zwar mit den lokalen Gegebenheiten vertraut, verfügen aber häufig nicht über die notwendige Kompetenz oder Zeit, um den Bestellbedarf genau abzuschätzen. Die Vorausbestellungen werden also „nach Gefühl“ aufgegeben und in manchen Läden schlicht vergessen.
Mit mathematischen Prognosen lassen sich auch bei Kampagnen gute Ergebnisse erzielen. Vor allen Dingen ermöglichen mathematische Prognosemodelle ein effizientes Erstellen von ladenspezifischen Kampagnenprognosen.
In der Praxis verlangen mathematische Prognosen jedoch mehr als nur die Einteilung des Absatzes in Kampagnen- und Normalabsatz. Zu einem besseren Ergebnis gelangt man, wenn man zusätzlich zu den Kampagnendaten noch Angaben über den Typ der Kampagnen sammelt. Im Allgemeinen reicht eine einfache Klassifizierung aus. Die Klassifizierung kann zum Beispiel auf dem verwendeten Medium basieren: Fernsehkampagnen, Zeitungsinserate und Ladenkampagnen können so jeweils eine eigene Klasse bilden.
Eine Versuchung kann darin bestehen, die Klassifizierung übertrieben genau vorzunehmen, da man ja schon mal mit der Arbeit begonnen hat. Man sollte daran denken, dass die Klassifizierungsdaten einem nichts nützen, wenn sie nicht ordentlich verwaltet werden. Wenn sich das Erzeugen der Daten einfach gestaltet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch in Zukunft ordentlich verwaltet werden.
Wenn man damit begonnen hat, einen klassifizierten Kampagnenverlauf zu erstellen, lassen sich die ladenspezifischen Kampagnenprognosen auf Basis der ladenspezifischen Absatzveränderungen von früheren Kampagnen berechnen. Je mehr Daten zum Kampagnenverlauf für ein Produkt verfügbar sind, umso genauere Resultate sind möglich. Andererseits lässt sich auch ohne vorherige Erfahrungen mit einer bestimmten Kampagne eine brauchbare Basisprognose erstellen, indem man die Wirkung von früheren Kampagnen auf die Produkte derselben Produktgruppe analysiert.
4. Einflussfaktoren analysieren und für die Kampagnenplanung nutzen
Wenn man die zur Prognostizierung von Kampagnen nötigen Daten zur Verfügung hat, lohnt es sich, diese auch zur Planung von Kampagnen zu nutzen.
Die Prognosemodelle können zur Festlegung der Kampagnenprodukte und Kampagnenart herangezogen werden. Wenn man versteht, wie die verschiedenen Kampagnentypen bei unterschiedlichen Produkten oder Produktgruppen funktionieren, ist es leichter zu erkennen, wie die Kampagnen zur Erreichung des gewünschten Resultats auszuführen sind.
Je umfangreicher und vielfältiger die verfügbaren Kampagnendaten, desto exaktere Analysen sind möglich. Ein interessanter Punkt ist zum Beispiel die Wirkung des Preises auf den Absatz. Mathematisch kann man die Wirkung einer Preisänderung zum Beispiel durch eine Regressionsanalyse modellieren. In der Praxis setzen indes die zur Verfügung stehenden Ausgangsdaten gewisse Grenzen. Zur Anwendung der Regressionsanalyse müssen Daten über mehrere frühere Preisänderungen vorliegen. Wenn man zusätzlich zum Preis auch noch andere Einflussfaktoren betrachten will, etwa die Präsentationsbestände in den Läden, ist eine noch größere Datenmenge früher realisierter Kampagnen erforderlich.
Die Analyse von Kampagnen des Einzelhandels und die Erstellung von Prognosen werden dadurch begünstigt, dass die Faktoren, die sich auf die Nachfrage auswirken – z. B. Preis, Präsentation im Laden, Laden- und Medienwerbung –, im Allgemeinen bereits im Voraus bekannt sind. Anhand von Regressionsmodellen kann der Anteil der einzelnen Faktoren am Absatzzuwachs durch Kampagnen ermittelt werden. Beim Erstellen von Regressionsmodellen ist Sorgfalt geboten. Wenn man zum Beispiel die Wirkung von Preisänderungen oder Marketingmaßnahmen verallgemeinernd auf unterschiedliche Produkte und Kampagnentypen überträgt, so erhält man für die Modelle normalerweise erheblich mehr Datenelemente. Dies verbessert die Funktionsfähigkeit der Modelle. Bei einer Verallgemeinerung der Berechnung kann es jedoch auch zu Fehlentscheidungen kommen, die die Erklärungsfähigkeit des Modells und die Genauigkeit der Prognose beeinträchtigen. Deswegen sollte bei der Entwicklung des Projekts ausreichend Zeit für die Erarbeitung des Modells und die Verbesserung der Prognosegenauigkeit einplanen. Wenn mehr Daten verfügbar werden und die Markt- und Wettbewerbssituation sich ändert, sollten die getroffenen Modellierungsentscheidungen noch einmal überprüft werden.
Kampagnen Schritt für Schritt in den Griff bekommen
Kampagnen bereiten selbst den Profis des Lieferkettenmanagements häufig Kopfschmerzen. In vielen Fällen kann das Kampagnenmanagement jedoch durch relativ einfache Mittel spürbar verbessert werden. Bereits durch die Unterscheidung von Kampagnen- und Normalabsatz lassen sich deutliche Vorteile erreichen.
Phase | Anforderungen | Nutzen |
1. Unterscheidung von Kampagnen- und Normalabsatz | Verbuchen von Kampagnen- und Normalabsatz als getrennte Posten. Nutzung des Normalabsatzes für mathematische Prognosen. | Genauere Prognose des Normalabsatzes. |
2. Verfolgung der Wirkung der Kampagnen | Systemunterstützung zur Bestimmung der Auswirkung des Kampagnenabsatzes (Kampagnenabsatz verglichen mit der berechneten Basisprognose). | Unterstützung für die qualitative Prognostizierung des Kampagnenabsatzes. Verbesserung der Rentabilität der Kampagnen und der Prognosegenauigkeit. |
3. Nutzung mathematischer Modelle auch für Prognosen von Kampagnen | Klassifizierung der Kampagnen und Verwaltung der Klassifizierungsdaten im System. Verlaufsdaten über frühere Kampagnen. | Automatische Erstellung von genaueren (ladenspezifischen) Kampagnenprognosen. |
4. Analyse der Einflussfaktoren und Nutzung für die Kampagnenplanung | Umfangreiche Kampagnendatenbank. (Je mehr Variablen analysiert werden sollen, desto mehr Daten über früher durchgeführte Kampagnen sind erforderlich.) | Das bessere Verständnis der Variablen, die sich auf das Resultat der Kampagnen auswirken, ermöglicht eine effizientere Umsetzung. |
Die Weiterentwicklung des Kampagnenmanagements ist ein arbeitsintensiver Prozess. Je genauer die Resultate sein sollen, desto höher sind die Anforderungen an das Sammeln der Kampagnendaten. Da in der Ausgangssituation nicht unbedingt schon Kampagnendaten vorliegen, muss man Schritt für Schritt vorgehen.
Die Weiterentwicklung des Kampagnenmanagements verspricht wichtige Vorteile:
- Bereits in der ersten Phase werden genauere Prognosen des Normalabsatzes erzielt.
- Die effektivere Verfolgung in der zweiten Phase ermöglicht genauere Kampagnenprognosen sowie ein besseres Verständnis dafür, welche Kampagnen funktionieren und welche nicht.
- In der dritten Phase gelangt man zu präziseren ladenspezifischen Prognosen bei gleichzeitig geringerem Arbeitsaufwand.
- Die letzte Phase schließlich eröffnet vollkommen neue Perspektiven für die Planung effektiver Kampagnen, den Ausbau des Absatzes und die Steigerung der Wirtschaftlichkeit.