Integrierte Handelsplanung: Raus aus dem Silo
May 23, 2018 • 4 minHeutzutage ist Einzelhandel nichts für schwache Nerven. Wirtschaftsmagnat und Investor Warren Buffett sagte kürzlich: „Ich glaube, der Einzelhandel ist allgemein zu hart für mich.“ Die Branche wandelt sich grundlegend und erst die Zeit wird zeigen, wer am Ende als Gewinner dasteht. So oder so ist klar, dass Einzelhändler es sich nicht mehr leisten können, an ineffizienten Abläufen festzuhalten. Prozesskosten zu senken und niedrig zu halten ist für die Profitabilität und das Überleben auf dem Markt essenziell.
Die drei Kostenfaktoren im Einzelhandel
Im Handel dominieren drei Arten von Kosten: 1. Fläche, 2. Personal und 3. Bestand. Die relative Wichtigkeit dieser Kostenbereiche variiert je nach Segment und Unternehmen. Meist haben Bekleidungshändler die höchsten Flächenkosten (Immobilien und Mieten), Lebensmittelhändler die höchsten Personalkosten (Filialmitarbeiter). Die meisten Fachhändler liegen irgendwo dazwischen.
Verbesserungen bei allen Kostenfaktoren (Fläche, Personal und Bestand) können sich signifikant auf den Profit auswirken. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Merchandising, der Filialbetrieb und die Supply-Chain-Abteilung aller Einzelhändler konstant ihre Prozesse optimieren, um effizienter zu werden.
Aufbau eines integrierten Planungsprozesses
Was allerdings ständig übersehen wird, ist die enge Verknüpfung der Kernprozesse im Einzelhandel. Eine Entscheidung einer Abteilung kann die Effizienz anderer Bereiche wesentlich beeinflussen – positiv wie negativ. Die wechselseitige Abhängigkeit der Abteilungen zu ignorieren, kann den Geschäftsprozessen jedes Händlers nachhaltig schaden.
Ich selbst komme aus dem Supply-Chain-Bereich. Hier habe ich bereits zahllose Optimierungen der falschen Dinge erlebt. Ein klassisches Beispiel ist hocheffizientes Kommissionieren in Lagern, das zu Gitterrollwagen oder Paletten mit einer willkürlichen Zusammenstellung von Produkten führt, die in ganz verschiedene Ecken der Filiale gehören. Die Effizienz im Lager sorgt also für signifikant höhere Kosten in der Regalbestückung in hunderten oder sogar tausenden Filialen. Dies treibt die Gesamtkosten in die Höhe.
Meiner Meinung nach ist der beste Weg zu höherer Betriebseffizienz die integrierte Einzelhandelsplanung aller Kernprozesse: Merchandising, Supply-Chain und Filialbetrieb. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich behaupte nicht, dass die Optimierungsmöglichkeiten in jedem dieser Bereiche bereits ausgeschöpft sind – im Gegenteil. Jedoch vervielfacht sich durch die gemeinsame Optimierung aller Prozesse der positive Effekt.
Dazu einige Beispiele unserer Kunden:
- Durch Änderungen in der Dispositionsplanung wurden Regalbestückungskosten in Filialen um 20 Prozent reduziert. Da Frischwaren regelmäßig geliefert werden müssen, werden die meisten Filialen dieses Händlers täglich über die Lager disponiert. Trotz optionaler Lieferung am Folgetag für fast alle Produktkategorien zielt seine Dispositionsplanung darauf ab, Bestellungen von Kernartikeln in einem Gang zusammen anzuliefern. Das erfordert weniger Lieferungen mit jeweils mehr Produkten, die in einem Gang platziert sind, was die Effizienz der Regalbestückung steigert. Letztere ist mitunter die zeitintensivste Aufgabe in Supermärkten. Die Ersparnisse sind daher riesig. In diesem Fall sogar größer als die gesamten Transportkosten vom Lager zu den Filialen des Händlers.
- Optimierte Planogramme reduzieren Out-of-Stocks um 80 Prozent. Eine Drogeriekette hat die Regalflächen jeder Filiale auf Basis lokaler Absatzmuster und Lieferzyklen optimiert. So kann eingehende Ware direkt in die Regale verräumt werden. Das minimiert den Bedarf an Lagerräumen. Zusätzlich sinkt das Stockout-Risiko von Produkten, die im Hinterraum statt auf der Verkaufsfläche lagern, gegen null. Die Regalauffüllung wird dadurch effizienter, dass die Anzahl der Wege zwischen Lagerraum und Verkaufsfläche minimiert wird.
- Lohnkosten in Filialen wurden durch Nutzung der Supply-Chain-Prognosen um 12 Prozent gesenkt. Für gewöhnlich basiert die Dienstplanung auf Umsatzbudgets oder Umsatzprognosen. Ein großer FMCG-Einzelhändler fand dies unzureichend. Stattdessen nutzt er Prognosen von Kundenströmen, um die anfallende Arbeit an den Kassen zu bestimmen. Diese wird kombiniert mit den Lieferprognosen pro Tag und Filiale, um den Zeitbedarf für die Regalbestückung zu berechnen. Damit werden zwei der wichtigsten Arbeit verursachenden Bereiche im Einzelhandel in die Dienstplanung einbezogen. Diese entsprechen dadurch dem täglichen Workload exakter. Zusätzlich zur erhöhten Effizienz sorgen ausgeglichene und besser geplante Schichten für stärkere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern.
Software-Unterstützung und organisatorischer Wandel sind zentral
Warum also ist Sub-Optimierung so weit verbreitet, obwohl ganzheitliche Planung so offensichtliche Vorteile bringt?
Eines der Haupthindernisse: Fehlende Systemunterstützung. Diese Hürde wird durch flexible Planungssoftware überwunden, die verschiedenste Informationen zu einem kohärenten Bild der Zukunft kombiniert. Zusammen mit unerreichter Rechenpower macht sie es möglich, den Einfluss diverser Pläne aus verschiedenen Perspektiven sehr detailliert zu überblicken. Das erlaubt eine bereichsübergreifende Optimierung.
Die zweite und meiner Meinung nach wichtigere Herausforderung ist organisatorisch bedingt. Integrierte Planung erfordert ein Überwinden der Planungssilos im Einzelhandel: Revierkämpfe um Macht und Status müssen durch ein gemeinsames Verständnis strategischer Ziele ersetzt werden. Starke Führung, klare Priorisierung und analytische Fähigkeiten sind nötig, um das Ganze statt nur die Teile zu optimieren.
Es ist eine große und schwierige Veränderung. Dennoch bin ich überzeugt, dass sie stattfinden wird. Der Wettbewerb ist hart, das Marktwachstum begrenzt – um Profit zu machen sind exzellente Prozesse die Voraussetzung. Für viele Einzelhändler wird integrierte Planung schlichtweg die einzige Möglichkeit sein, zu überleben.