Wie managen Einzelhändler 2017 ihre Supply Chain?

Dec 8, 2017 4 min

Studie durchgeführt von Martec International und dem EHI Retail Institute

80 Einzelhändler mit einem durchschnittlichen Umsatz von 3,1 Mrd. € pro Jahr aus 12 europäischen Ländern wurden vom EHI Retail Institute und Martec International über ihre Supply-Chain-Steuerung befragt. 18 Prozent davon waren deutsche Unternehmen. Nachfolgend werden die signifikantesten Ergebnisse und Herausforderungen präsentiert:

Prognostizierung von Promotions und Produkteinführungen

82 Prozent der Einzelhändler sind mit ihrem Planungssystem für Promotions und Produkteinführungen unzufrieden. 40 Prozent sagen, dass die Prognostizierung von Promotions die größte Herausforderung darstellt. International wurden „Prognosen für neue Produkte“ und „effektivere Prognosen für Promotions“ mit je 6,3 von 10 Punkten als die größten Herausforderungen genannt. Für deutsche Einzelhändler stellen jedoch „Prognosen für Events und saisonale Produkte“ mit 7,6 von 10 Punkten die größte Hürde dar. Auch überdurchschnittlich oft wurde „Prognosen für neue Produkte“ mit 7,2 von 10 Punkten aufgeführt. Im Vergleich zur Studie von 2015 gewinnen damit Promotions und Produkteinführung an Bedeutung. Damals waren diese Punkte die geringsten Herausforderungen mit 4 von 10 Punkten für Produkteinführungen und 3 von 10 Punkten für Promotions.

Viele Einzelhändler disponieren mit Modellen wie „Min/Max“ oder „eins verkaufen/eins bestellen“. Diese sind einfach, oft ungenau und führen leicht zu Über- bzw. Unterbeständen. Prognosen sind nicht statisch – eine Technik passt nicht für alles. Fortschrittliche Systeme bieten die Möglichkeit, automatisch die Prognosemethode zu wählen, die für das jeweilige Produkt am jeweiligen Standort basierend auf dessen Profilen und geplanten Aktivitäten am besten ist.

Nutzung von Flächendaten für Prognosen und Disposition

Die Zufriedenheit der Supply-Chain-Verantwortlichen für die Nutzung von Flächendaten für Prognosen und Disposition liegt bei nur 5,1 von 10 Punkten. Viele sind für die Flächenplanung nicht zuständig, weshalb diese nicht in ihre Prozesse und Systeme eingebunden ist. Zudem verfügen nur wenige Systeme über diese Funktion. Dieser Silo-Ansatz steht im Konflikt zum Trend zu einer integrierten und kundenorientierten Omnichannel-Supply-Chain-Planung. Eine Übersicht über den Bestand im Regal und über die gesamte Lieferkette hinweg ermöglicht Einzelhändlern, ihren Kunden jeweils das beste Sortiment am richtigen Standort anzubieten. Immerhin sind Deutschland und UK mit je 5,5 von 10 Punkten hier am zufriedensten.

Transparenz der Supply-Chain

Die durchschnittliche Möglichkeit zur Übersicht über die gesamte Lieferkette vom Lieferanten über die Läger bis zum POS beträgt 6,1 von 10 Punkten. Der Home-Shopping-Sektor schneidet hier mit 8,2 Punkten am besten ab. Das liegt unter anderem daran, dass hier in der Supply-Chain keine Filialen berücksichtigt werden müssen. Um mehr Transparenz zu erlangen, sollten Bestände in Filialen, Lieferungen und Bestandsbewegungen genau protokolliert werden. Onlinebestände sollten auch Waren in Filialen umfassen, die z.B. für „Click & Collect“ verfügbar sind, und prognostizierte Bestände in DCs sollten alle Eventualitäten einbeziehen. Für letzteres gilt auch, dass Änderungen von Filialbeständen auf Zentrallagerebene abgebildet werden.

Mitarbeitereffizienz in der Disposition

Gemessen wurde der Umsatz, der pro Vollzeit-Mitarbeiter in der Disposition und Prognoseerstellung bewegt wird. Im Durchschnitt verantwortet ein Mitarbeiter Produkte im Wert von 80,9 Mio. €. Besonders herausgestochen sind hier deutsche Einzelhändler mit einem Wert von 157 Mio. € pro Mitarbeiter. Dieser Vorteil resultiert nicht aus Skaleneffekten – daher ist unklar, warum deutsche Einzelhändler so viel effektiver sind.

Analyse und Reporting der Supply-Chain

Mehr als drei Viertel der Befragten sind mir ihren derzeitigen Supply-Chain-Systemen für Reporting und Analyse unzufrieden. Es wurde nach den gewünschten Reporting-Fähigkeiten gefragt: International liegen „akkurate Prognosen von Out-of-Stocks“ mit 70 Prozent auf Platz eins der Wunschliste, gefolgt von „Lieferpläne basierend auf SKU-/Filialprognosen und rechtzeitige Warnung bei künftigen Kapazitätsengpässen“ mit 60 Prozent. Beide werden von je 92 Prozent der deutschen Einzelhändler gewünscht. Ein signifikanter Unterschied besteht bei „Berechnung des gesamten Bestands für einzelne Artikel in der gesamten Lieferkette“: Dies wünschen sich 38 Prozent der internationalen, aber 75 Prozent der deutschen Supply-Chain-Verantwortlichen.

Grafik 1: Prognose für Promotions

Nutzung externer Daten für Prognosen

Die Zufriedenheit der Einzelhändler mit der Nutzung von externen Daten wie Wetter, Events und Wettbewerbspreise in ihren Prognoseprozessen erreicht mit 4,3 von 10 Punkten einen sehr niedrigen Durchschnittswert. Deutsche Einzelhändler liegen mit 3,9 von 10 Punkten bei der Nutzung externer Daten sogar unter dem Durchschnitt. Im internationalen Branchenvergleich ist Home-Shopping mit 5,4 von 10 Punkten hier am fortschrittlichsten. Dennoch heißt dies, dass fast jeder zweite Onlinehändler keine externen Daten für Prognosen verwendet – auch keine Preise von Wettbewerbern. Das ist bedenklich, da Onlinekunden durch die Möglichkeit des direkten Vergleichs besonders preissensitiv sind.

Externe Daten, deren Nutzung zur Verbesserung der Prognoseprozesse in Betracht gezogen werden sollten, sind:
 

Grafik 2: Der jeweils obere Balken beschreibt den internationalen, der untere Balken den deutschen Wert.

Fazit

Die Supply-Chain aller Befragten wurde auf einer Skala von 1 bis 4 eingestuft, wobei 1 für überwiegend manuelle Prozesse, wenig Transparenz und veraltete Systeme und 4 für integrierte, automatisierte und agile Anwendungen steht. Der Durchschnitt der 80 Befragten Handelsunternehmen erreichte 2,25 Punkte. Bei Prognosen, Flächenmanagement, Transparenz, Mitarbeitern, Reporting und Technologie erreichten sie Stufe 2 „Standard“, bei Disposition und Bestandsmanagement Stufe 3 „Fortgeschritten“. Dies zeigt, dass insgesamt noch viele Prozesse manuell sind und neue Technologien kaum ausgeschöpft werden. Allgemein besteht daher viel Potenzial für Unternehmen, Prozesse zu verschlanken und zu integrieren. Die Studie ergab, dass die Gründe gegen den Austausch nie in der Zufriedenheit mit dem aktuellen, im Durchschnitt 7,1 Jahre alten System liegen, sondern Argumente wie „Budgetknappheit“ und „Komplexität des Projekts“ angegeben werden.