Verlieren Sie Zeit und Geld, weil Ihre Supply-Chain schlecht integriert ist?

Jun 29, 2020 5 min

In regionalen Verteilzentren und Zentrallagern waren die Disposition von Filialen und das Bestandsmanagement bisher zwei separate Prozesse mit separaten Absatzprognosen.

In einer aktuellen Studie stellten wir fest: 16 Prozent der großen US-Lebensmitteleinzelhändler stützen ihre Prognosen für Verteilzentren noch immer auf historische Daten ausgehender Lieferungen ebendieser. Das ist in etwa so, als würde ein Autofahrer seinen Wagen steuern und dabei nur in den Rückspiegel schauen.

Aus der gleichen Studie geht hervor, dass eine klare Mehrheit der Händler – 70 Prozent der Befragten – sich für einen moderneren Ansatz entschieden hat: Die Prognosen ihrer Verteilzentren basieren auf den Absatzprognosen der Filialen. Natürlich ist dies besser, als nur die ausgehenden Lieferungen zu betrachten.

Es gibt aber auch Nachteile, wenn Filialprognosen die Planung der Verteilzentren steuern:

  1. Die Produkte müssen in die Filialen geliefert werden, bevor diese sie verkaufen können. Die Prognose für das Verteilzentrum muss sich also erhöhen, bevor die Absatzprognosen der Filialen ansteigen, und umgekehrt. Die zeitliche Verzögerung hängt von den Abverkaufsraten und Dispositionsplänen der Filialen ab – sie variiert also zwischen Filialen, Produkten und gegebenenfalls auch Wochentagen. Es ist deshalb fast unmöglich, die Zeitverzögerung genau zu bestimmen. Keine gute Voraussetzung für die Prognosegenauigkeit für Verteilzentren.
  2. Werden Produkte mittels Push- statt Pull-Strategie über die Supply-Chain verteilt, also auf Basis von Vorhersagen statt der tatsächlichen Nachfrage aus den Filialen geliefert, kommt es zu Spitzen ausgehendender Lieferungen in den Verteilzentren, die in den Absatzprognosen der Filialen nicht zu erkennen sind. Ein gutes Beispiel sind hier Kampagnen: Bevor diese beginnen, müssen 30 bis 100 Prozent der erwarteten Prognoseerhöhung an die Filialen geliefert werden. Die Kampagne verursacht deshalb im Verteilzentrum eine viel höhere Nachfragespitze als in den Filialen. Diese Spitze unterliegt der vollen Kontrolle des Einzelhändlers. Dennoch verursacht sie einen großen manuellen Planungsaufwand für die Supply-Planer im Verteilzentrum: Diese müssen versuchen, abzuschätzen, wann und in welcher Menge die Filialen die Aktionsartikel annehmen.

Viele der Situationen, die als besonders herausfordernd für die Verteilzentren gelten, unterliegen tatsächlich zur Gänze der Kontrolle der Einzelhändler: beispielsweise der Aufbau von Beständen in den Filialen im Vorfeld von Kampagnen oder einer Saison.

Supply-Chain-Projektionen für nahtlose Integration

Best-Practice-Ansatz ist, die Prognosen der Verteilzentren auf den projizierten Bestellungen der Filialen zu basieren: So werden die pull-basierte Nachfrage sowie die geplanten, push-basierten Lagerbewegungen abgebildet. Laut unserer Studie gaben nur 14 Prozent der befragten Lebensmittelhändler in Nordamerika an, dies bereits zu nutzen.

Für eine nahtlose Integration der Planung für Filialen und Verteilzentren muss das Planungssystem die projizierten Bestellungen der Filialen pro Produkt, Filiale und Tag mehrere Monate oder gar ein Jahr im Voraus berechnen können. Dabei müssen derzeitige sowie bereits bekannte künftige Dispositionsparameter und Absatzprognosen miteinfließen. Diese Kalkulationen erfordern eine beachtliche Datenverarbeitungsleistung – eine mögliche Erklärung für die bisher geringe Einführungsquote.

Abbildung 1: Der Versandplan des Verteilzentrums (welcher in der integrierten Supply-Chain die herkömmliche Prognose ersetzt) stützt sich auf die projizierten Bestellungen der Filialen, einschließlich pull-basierter Nachfrage sowie der geplanten, push-basierten Lagerbewegungen und der Absatzprognosen für Direktsendungen aus dem Verteilzentrum an die Kunden.

In der Praxis konsolidieren die projizierten Bestellungen der Filialen folgende Daten: die aktuellen Filialbestände, Sicherheitsbestände und die für eine ansprechende Warenpräsentation erforderlichen Mindestmengen, Dispositionspläne und alle geplanten Bestandsbewegungen wie etwa Warenbestände, die den Filialen im Vorfeld größerer Kampagnen zugeteilt werden.

Werden die projizierten Bestellungen über alle Filialen hinweg aggregiert, ergibt sich eine sehr genaue, kundengesteuerte Prognose für die Verteilzentren.

Stützen sich die Prognosen der Verteilzentren auf die projizierten Bestellungen der Filialen, ergeben sich Vorteile. Hier einige Situationen, in denen dieser Mehrwert deutlich erkennbar wird:

Produkt-einführungenBei der Einführung eines neuen Produkts wird jeder Filiale eine ausreichende Produktmenge (mindestens ein Karton) zugeteilt, um die dafür vorgesehene Regalfläche zu füllen. So entsteht ein Bestandspuffer in den Filialen, der erst binnen Tagen oder Wochen aufgebraucht sein wird. Solange es diesen Überbestand in den Filialen gibt, werden die projizierten Filialbestellungen (sowie die tatsächlich aus den Verteilzentren ausgehenden Waren) geringer sein als die prognostizierte Konsumentennachfrage.
Produkt-abkündigungenWenn eine Produktabkündigung geplant ist, wird die Prognose für das Verteilzentrum automatisch sinken, je näher das Abkündigungsdatum rückt – so wird eine geplante Rabattierung des Bestands unterstützt. Basiert die Prognose für das Verteilzentrum auf den projizierten Filialbestellungen, werden die vorhandenen Bestandspuffer in den Filialen automatisch berücksichtigt und genau bestimmt, wie lange es dauert, bis in jeder Filiale die verbleibenden Bestände abgebaut wurden.
KampagnenFür gewöhnlich werden 30–100 Prozent der erwarteten Kampagnenerhöhung den Filialen vor Beginn einer Kampagne zugeteilt. Das Gute daran ist, dass diese geplanten Bestandsbewegungen komplett vorhersehbar sind (da sie tatsächlich geplant und somit nicht prognostiziert werden müssen): Somit sind sie automatisch in den projizierten Filialbestellungen enthalten. Gibt es in den Filialen nach einer Kampagne Über- oder Unterbestände, werden die Fulfillment-Bedarfe der Filialen in den Prognosen der Verteilzentren genau berücksichtigt.
SaisonsFast immer wird vor Beginn einer Hauptsaison ein bestimmter Bestandspuffer an die Filialen verteilt. Gründe hierfür sind zum Beispiel, dass optisch ansprechende saisonale Warenaufbauten in den Filialen errichtet werden müssen, saisonale Spitzen auszugleichen sind oder dass schnelles Reagieren ermöglicht werden soll, wenn bei einem wetterabhängigen Saisonstart das genaue Timing der Saison schwer zu bestimmen ist. So wie Kampagnen sind auch diese geplanten Bestandsbewegungen automatisch in den projizierten Bestellungen der Filialen sichtbar, die als Prognosen für die Verteilzentren verwendet werden. Da die saisonale Nachfrage beispielsweise aufgrund lokaler Wetterbedingungen stark zwischen den einzelnen Filialen variiert, werden die Bestandspuffer der Filialen nicht mit der gleichen Geschwindigkeit aufgebraucht. In der Prognose des Verteilzentrums ist das automatisch sichtbar.
Änderungen der Zeitpläne für die DispositionDass Dispositionszeitpläne geändert werden, ist nichts Ungewöhnliches. Entweder geschieht dies kurzfristig, um einer gesteigerten Nachfrage während der Hauptsaison gerecht zu werden, oder langfristig, weil beispielsweise neue Transportwege eingeführt wurden. Änderungen der Dispositionszeitpläne haben selbstverständlich keine Auswirkung auf die Verbrauchernachfrage – auf den Warenfluss an die Filialen jedoch direkt. Die daraus resultierenden Änderungen von Timing und Größe der Filialbelieferungen werden automatisch in der Prognose des Verteilzentrums erfasst, wenn diese auf den projizierten Filialbestellungen basiert.

Tabelle 1: Besonders empfehlenswert ist es, die Prognosen der Verteilzentren auf die projizierten Filialbestellungen zu stützen, wenn der Bestand hochgefahren oder abgebaut werden soll.

Eine integrierte Supply-Chain macht doppeltes Planen unnötig

Die Auswirkung geplanter Änderungen in der Filialdisposition spiegelt sich automatisch in den projizierten Filialbestellungen wider – diese bilden die Absatzprognose für die Verteilzentren. Sobald also eine Kampagne und der damit verbundene Bestandsaufbau in den Filialen geplant wird, spiegelt sich dies in der Prognose des Verteilzentrums: am richtigen Tag und in der richtigen Menge. Das gilt auch für saisonale Planung, Sortimentsänderungen, Änderungen an den Dispositionszeitplänen etc.

Dass Ihre Planungssoftware die erforderliche Funktionalität und Leistungsstärke bietet, ist natürlich eine Grundvoraussetzung – doch die eigentliche Herausforderung ist, das gesamte Unternehmen in die proaktivere Arbeitsweise einzubinden. Ziel ist es, dass Entscheidungen früh genug gefällt werden, jedoch nicht so früh, dass sie die Flexibilität innerhalb des sehr dynamischen Marktumfelds unnötig einschränken. Um das zu erreichen, müssen alle Mitarbeiter des Unternehmens ein Grundverständnis der Supply-Chain besitzen: Zum einen von der Funktionsweise der Lieferkette, zum anderen darüber, wie viel Vorbereitungszeit die relevanten Entscheidungen benötigen.

Spricht also noch etwas dagegen, Ihre Supply-Chain zu integrieren?

Dieser Blogpost ist Teil unseres umfassenden englischsprachigen Guides „Erfolgreich im LEH: Best Practices für das Managen von Supply-Chains im Lebensmitteleinzelhandel”. Hier finden Sie die besten Ansätze, um die Reaktionsfreude und Effizienz von LEH-Supply-Chains zu erhöhen. Lesen Sie unter anderem über Filialdisposition, KI für Absatzprognosen, Bestandsmanagement in den Verteilzentren, Kapazitätenplanung und vieles mehr.

Beitrag von

Johanna Småros

Co-founder, Chief Sustainability Officer