Großhändler aufgepasst: Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Kunden sich in ihren Bedürfnissen unterscheiden?
Auf den ersten Blick eine Binsenweisheit. Natürlich ist jedem Lebensmittelgroßhändler klar, dass ein Kiosk anders bestellt als ein SB-Warenhaus. Genauso wissen Pharma-Großhändler, dass eine lokale Apotheke völlig andere Bedürfnisse hat als ein regionales Krankenhaus.
Dennoch ist beim Erstellen von Großhandelsprognosen für viele Unternehmen die gängige Praxis noch immer, eine einzige Absatzprognose für das gesamte Kundenspektrum zu verwenden. Diese Vorgehensweise birgt das Risiko, dass es zu Ungenauigkeiten bei der Vorhersage der Bedürfnisse spezifischer Kunden kommt oder Trends und Muster nicht richtig erkannt werden. Dies kann zu Abweichungen von Angebot und Nachfrage führen, die die ohnehin schon geringen Margen von Großhändlern weiter schmälern.
Großhändler sollten deshalb ein neues Bewusstsein für Prognosegenauigkeit entwickeln, um den individuellen Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden und gesunde Gewinnmargen zu erhalten. Kanalspezifische Prognosen berücksichtigen das einzigartige Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden und bieten eine Segmentierung und Präzision, die breite Absatzprognosen nicht erreichen können. Großhändler sollten diese genauen Prognosen nutzen, um betriebliche Ineffizienzen zu reduzieren, den Servicegrad zu verbessern und langfristig Geld zu sparen.
Was ist eine kanalspezifische Großhandelsprognose?
Kanalspezifische Prognostizierung bedeutet, dass für verschiedene Kundensegmente separate Nachfrageprognosen erstellt werden, um die Prognosegenauigkeit zu erhöhen. Jedes Segment (oder jeder Kanal) umfasst Kunden, die ähnliche Verhaltensweisen oder Eigenschaften teilen und daher ähnlich bestellen. Jede dieser Prognosen bietet dem Großhändler die Möglichkeit, diese spezifischen Verhaltensweisen gezielt zu bedienen, anstatt sie mit denen unähnlicher Kunden zu gruppieren.
Die Kanäle lassen sich an die Bedürfnisse des Großhändlers anpassen. Ein einzelner Kanal könnte zum Beispiel folgendes umfassen:
- Einen einzigen Großkunden,
- sich ähnlich verhaltende Kunden, wie eine Gruppe von kleinen, familiengeführten Kiosken,
- Kunden mit einzigartigen Bestell- und Lieferanforderungen
- Einzelhändler im selben geografischen Gebiet,
- einen bestimmten Vertriebskanal, wie E-Commerce.
In der Vergangenheit haben sich Großhändler meist darauf konzentriert, wie viele Produkte bestellt werden, ohne den Bestimmungsort der Produkte weiter zu beachten. Wenn sie sich jedoch auf spezifische Kundensegmente konzentrieren, können Großhändler Nachfrageverschiebungen genauer vorhersehen und ihre Bestände besser verwalten. Ein Großhändler für Autoersatzteile könnte zum Beispiel ein Segment für eine Gruppe von Discount-Reifenhändlern erstellen, so dass diese sich vor den kalten Monaten mit der entsprechenden Menge an Winterreifen eindecken können, ohne dass es zu Lieferspitzen kommt.
Warum kanalspezifische Prognosen herkömmlichen Großhandelsprognosen überlegen sind
Die genaue Vorhersage der Kundennachfrage ist selbst unter den besten Bedingungen nicht einfach. Großhändlern mag es daher wenig verlockend erscheinen, nun auch noch mehrere Prognosen für unterschiedliche Segmente zu erstellen – ist es doch eine grundlegende Veränderung ihrer Supply-Chain-Planungsprozesse. Doch diejenigen unter ihnen, die den Schritt zu kanalspezifischen Prognosen wagen, erkennen oft drei wesentliche Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Großhandelsprognosen:
1. Mehrere Kanalprognosen sind genauer als eine einzige herkömmliche Prognose
Breite Prognosen berücksichtigen nicht die Nuancen, die es zwischen einzelnen Kunden oder Unternehmen gibt, während mit kanalspezifischen Prognosen der Lagerbestand für jedes einzelne Kundensegment optimiert wird.
Stellen Sie sich folgendes vor: Ihr größter Kunde nimmt – in einigen oder allen seinen Filialen – ein Produkt aus dem Sortiment. Bei diesem Kunden würde die Nachfrage nach dem Produkt auf null sinken, der Rest Ihrer Kunden würde es jedoch weiterhin bestellen. Eine breite Prognose könnte die Änderung für diesen spezifischen Kunden nicht vorhersehen – eine kanalspezifische Prognose, die Ihren größten Kunden einschließt, jedoch schon.
Prognosegenauigkeit und Bestandsoptimierung profitieren erheblich von der Nutzung granularer Daten, die etwa Entscheidungen über Sortimente und Promotions enthalten. Granulare Daten sind somit eine willkommene Alternative zu Unter- oder Überbeständen, die bei breiteren Prognosen häufiger auftreten. Ein unterbestücktes Lager resultiert in verpassten Verkaufschancen und schlimmstenfalls sogar Vertragsstrafen, während ein überbestücktes zu Verderb und teuren Preisnachlässen führt. Diese Kosten schaden den Margen der Großhändler selbst unter den besten wirtschaftlichen Umständen. In einem Klima häufiger Störungen und hoher Inflation wie in den vergangenen Jahren jedoch umso mehr.
2. Kanalspezifische Prognosen fördern die Zusammenarbeit mit Einzelhandelspartnern
Großhandelsvertriebe sind fast immer eine Stufe vom Endverbraucher entfernt, weshalb sie häufig auf Veränderungen nur reagieren können, anstatt sie zu antizipieren. Leider funktioniert die Zusammenarbeit mit Einzelhandelspartnern oft zu schlecht, um Einblicke in die Verbrauchernachfrage zu gewinnen. Durch eine begrenzte Zusammenarbeit bleiben die Strategien der Einzelhändler wie geplante Promotions oder Sortimentsänderungen für Großhändler ebenfalls häufig im Dunkeln.
Stellen Großhändler ihren Einzelhandelspartnern optimale Verfügbarkeit in Aussicht, verleiht ihnen das mehr Gewicht bei der Anforderung relevanter Planungsdaten, wie z. B. POS-Daten. Großkunden mit strengen vertraglichen Verpflichtungen werden die Fähigkeit eines Großhändlers zu schätzen wissen, die Produktqualität und Lieferung für ihre Kanäle zu priorisieren – und Großhändlern wird es nur recht sein, wenn sie potenzielle Geldstrafen durch OTIF-Verletzungen (KPI „on time and in full“, eine pünktliche und vollständige Lieferung) vermeiden können.
Erkennen die Kunden erst einmal die Effizienzverbesserungen, wird das ihre allgemeine Zufriedenheit erhöhen und sie dazu anregen, die Weitergabe wichtiger Einzelhandelsdaten höher zu priorisieren, um die Prognosen ihrer Großhandelspartner zu verbessern.
3. Kanalspezifische Prognosen verhelfen Großhändlern zu einem modernen Supply-Chain-Management
Klar, der alte Ansatz mit Tabellenkalkulationen und Klemmbrettern zur Prognose hat lange Zeit gut genug funktioniert, besonders angesichts der Tatsache, dass es noch nicht viele technologische Hilfsmittel gab.
Aber das Management der Großhandels-Lieferkette ist seit den analogen Zeiten um ein Vielfaches komplexer geworden. Ein schwieriges wirtschaftliches Klima, Personalnot und Materialengpässe haben sowohl das Kunden- als auch das Verbraucherverhalten beeinflusst. Die Nachfrage ändert sich im Handumdrehen, was manuell erstellte Prognosen oft obsolet macht, wenn es darum geht, neue Bestände zu bestellen. Und das Entstehen von E-Commerce-Kanälen hat die Gemengelage noch einmal verkompliziert.
Diese neuen Umstände stellen besonders Großhändler vor Probleme, da diese ein breites Spektrum an Kunden berücksichtigen müssen, die sich nicht immer gleich verhalten. Für Planungsteams ist es bereits schwierig, eine einzige integrierte Prognose für das gesamte Kundenportfolio zu erstellen. Die Planer wären völlig überfordert, müssten sie mehrere individuelle Prognosen für verschiedene Kundensegmente manuell erstellen – geschweige denn genaue und leicht anpassbare Prognosen.
Deshalb benötigen Großhändler, die von kanalspezifischen Prognosen profitieren möchten, eine digitale Lösung, die diese Aufgabe bewältigen kann. Intelligente Planungssysteme automatisieren die Erstellung und Anpassung von Kanalprognosen, wodurch Planer sich auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können, die nur Menschen erledigen können. Gleichzeitig werden die Prognosen täglich mit den neuesten Daten aus verschiedenen relevanten Quellen aktualisiert, um die höchstmögliche Genauigkeit zu gewährleisten.
Drei Schlüsselfaktoren zur Erstellung intelligenter, exakter Kanalprognosen
Die Vorteile kanalspezifischer Prognosen sind so verlockend, dass manch ein Großhändler vielleicht direkt loslegen möchte. Unternehmen sollten jedoch zuerst einige Themen in den Griff bekommen, um sicherzustellen, dass ihr Projekt zur Einführung kanalspezifischer Prognosen erfolgreich startet:
1. Lernen Sie Ihre Kunden kennen
Als Großhändler müssen Sie die Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Strategien Ihrer Kunden verstehen, wenn Sie sie richtig segmentieren wollen. Und selbst wenn Sie diese kennen und verstehen, müssen Sie den Ansatz zur Segmentierung wählen, der am besten zu Ihren Zielen passt. Ist die geografische Nähe das wichtigste Kriterium bei der Prognose, oder macht es mehr Sinn, nach Nischen zu prognostizieren?
Ihre Kunden zu kennen, bedeutet auch, dass Sie ihre Verträge genau verstehen. Großunternehmen haben wahrscheinlich in ihren Verträgen Anforderungen an pünktliche Lieferungen und Verfügbarkeiten, die sie möglicherweise ungeeignet für eine Segmentierung mit anderen, weniger „strengen“ Unternehmen machen. Diese schwergewichtigen Unternehmen sollten möglicherweise ein eigenes Segment bilden, um sicherzustellen, dass die Prognosen deren speziellen Bedürfnissen gerecht werden.
Das Datenmodell eines Großhändlers kann der Hauptfaktor bei der Wahl der geeigneten Kanäle sein. Kanalspezifisch zu prognostizieren, ist eine schwierige Aufgabe für ein Unternehmen, das nicht in der Lage ist, einzigartige Kundenattribute in seinen Verkaufsdaten zu identifizieren. Unternehmen mit etablierten kollaborativen Prozessen können ihre Entscheidung jedoch auf die Werbe- und Sortimentsdaten ihrer Kunden stützen.
2. Identifizieren Sie die richtige Anzahl von Kanälen
Die Granularität beziehungsweise das Detailreichtum in der kanalspezifischen Prognose ist das, was sie so spannend macht – aber man sollte es auch nicht übertreiben. Ein Großhändler mit 300 Kunden muss nicht für jeden Kunden einen eigenen Kanal erstellen und dann 300 separate Kanalprognosen erstellen.
Stattdessen sollten Großhändler ihre bestehende Kundenbasis analysieren und die optimale Anzahl von Kanälen finden – also genau den Punkt, bevor die Optimierung in erhöhte Komplexität umschlägt. Die richtige Anzahl von Kanälen ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Großhändler, die gerade ihre ersten Erfahrungen mit der kanalspezifischen Prognostizierung machen, sollten mit groben Schätzungen und wenigen Kanälen beginnen, bevor sie mit selektiverer und granularer Segmentierung experimentieren.
3. Finden Sie die richtige Software
Egal, ob Sie als Großhändler für vier oder 14 Kanäle prognostizieren, zuerst einmal benötigen Sie eine Planungssoftware, die überhaupt die Funktionalität bietet, Kanalprognosen zu erstellen. Kanalspezifische Prognosen sind keine Standardfunktion: Einige Plattformen sind gar nicht in der Lage, Kanalprognosen zu erstellen, während andere nur für eine begrenzte Anzahl von Kanälen prognostizieren können. Sie sollten sich also im Vorfeld gut informieren, um eine Planungsplattform zu finden, die Ihren Anforderungen entspricht.
Exakte Prognosen sorgen für eine effiziente Angebotsplanung im Großhandel
Nicht alle Vorteile exakter Prognosen beziehen sich speziell auf die Beziehung zwischen Großhändler und Einzelhandel: Die Zufriedenheit seiner Einzelhandelskunden ist für den Großhändler entscheidend, um langfristig erfolgreich zu sein, doch Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, sein Angebot gut planen zu können.
Wird die Prognosegenauigkeit verbessert, können Großhändler die Beschaffung und das Bestandsmanagement optimieren. Sie sind dann in der Lage, Bestellungen zeitlich so zu terminieren, dass sie mit den Kanalprognosen übereinstimmen, und so Überbestände abbauen und damit verbundene Lagerkosten reduzieren. Diese Präzision unterstützt eine schlankere, reaktionsfähigere Lieferkette.
Um diese Genauigkeit zu erreichen, muss die Beschaffungszeit im Planungsprozess eingebunden werden. Großhändler, die die benötigte Zeit kennen, um Waren von Lieferanten zu beschaffen, können Bestellungen so planen, dass die Produkte genau dann ankommen, wenn sie benötigt werden. Dies minimiert das Risiko von Stockouts oder Überbeständen und stellt sicher, dass Unternehmen kein Kapital in unnötigem Lagerbestand binden. Die Abstimmung der Bestellzyklen mit diesen Beschaffungszeiten ermöglicht es Großhändlern auch, ihren Cashflow zu verbessern und auf Marktveränderungen schneller reagieren zu können.
Genaue Prognosen helfen Großhändlern überdies, bessere Beziehungen zu ihren Lieferanten aufzubauen und sich Vorteile bei Verhandlungen zu verschaffen: Denn Unternehmen, die eine klare Sicht auf die zukünftige Nachfrage haben, können ihre Bedürfnisse effektiver an Lieferanten kommunizieren und sich so möglicherweise bessere Konditionen oder eine Priorisierung sichern. Dieser kollaborative Ansatz macht die Lieferkette zuverlässiger und erhöht so die Fähigkeit eines Großhändlers, die Kundennachfrage prompt und effizient zu erfüllen.
Präzise Großhandelsprognosen dank einer robusten Planungsplattform
Die Nachfrageprognose bildet die Grundlage für den Erfolg der Lieferkette jedes Großhändlers, und jede Änderung dieser Grundlage kann ein mulmiges Gefühl auslösen. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass Unternehmen ihre bestehenden Systeme und Prozesse zugunsten einer vollständigen Einführung kanalspezifischer Prognostizierung aufgeben, insbesondere ohne Beweise, dass die kanalspezifische Prognose für ihren speziellen Anwendungsfall funktioniert.
Fangen Sie also mit kleinen Schritten an. Identifizieren Sie wichtige Kundensegmente, die am meisten von kanalspezifischen Prognosen profitieren würden und erstellen Sie separate Prognosen für diese Kanäle. Sobald die Vorteile dieses Pilotprojekts deutlich werden, wird dies zusätzliche Investitionen in Ressourcen und Personal rechtfertigen, um eine umfassende kanalspezifische Prognose einzuführen.
Am wichtigsten ist es, eine robuste digitale Planungslösung zu finden, die in der Lage ist, genaue kanalspezifische Prognosen zu erstellen. Die besten Planungsplattformen gehen über die Nachfrageprognose hinaus und helfen Großhändlern, die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden zu verbessern, die End-to-End-Bestandsplanung zu optimieren und bieten sogar Workforce-Management-Funktionen. Der Gedanke an die Einführung neuer digitaler Lösungen oder Prozesse mag kostenbewusste Unternehmen zögern lassen. Aber angesichts steigender Preise und zunehmender Konkurrenz können es sich Großhändler nicht leisten, nicht jedes kostensparende Werkzeug zu nutzen, das ihnen zur Verfügung steht.