„Retail is detail“ – das gilt heute mehr denn je: Einzelhändler müssen Milliarden Prognosen aktuell halten, Millionen Warenflüsse kontrollieren und Zehntausende Mitarbeiter in den Filialen und der Distribution managen.
Der Einzelhandel ist zudem sehr dynamisch. Jeden Tag schlagen Händler sich mit Ausnahmen herum. Diese reichen von verspäteten Lieferungen bis hin zu Qualitätsmängeln. Darüber hinaus beeinflusst die fortlaufende Transformation im Einzelhandel alle Geschäftsbereiche. Einzelhändler entwickeln neue Arten des Kundenservices und der Bestellabwicklung, probieren neue Filialformate aus und investieren in Technologie und Robotik. Nicht zuletzt verändern Megatrends wie die Urbanisierung und die wachsende Nachfrage von Konsumenten nach gesünderen und nachhaltigeren Produkten die Einkaufsmuster.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen Einzelhändler schnelle Entscheidungen en masse treffen. Damit diese Entscheidungen die richtigen sind, ist es für sie unverzichtbar, ihre Daten für sich arbeiten zu lassen. Damit kämpfen aber noch viele Unternehmen. Obwohl die meisten Einzelhändler über eine Menge Daten verfügen, mangelt es an Analysetools. Allein der Zugang zu Daten ermöglicht Händlern nicht automatisch eine schnellere und bessere Entscheidungsfindung. Hier kommt die Entscheidungstheorie ins Spiel:
Gewinner im Handel verwandeln Daten in schnelle und gute Entscheidungen
Einzelhändler müssen wesentlich besser darin werden, riesige Datenmengen in akkurate, schnelle und automatische Entscheidungen zu verwandeln. Diese Notwendigkeit befeuert den aktuellen Hype um KI (künstliche Intelligenz) im Einzelhandel. Leider gibt es keine magische Blackbox, die alle komplexen, praktischen Planungsprobleme des Handels löst.
Um die besten Resultate zu erzielen, müssen sich Händler die volle Bandbreite pragmatischer KI zunutze machen. Dazu sollten sie künstliche Intelligenz und Machine-Learning mit statistischer Modellierung und Optimierung, Simulation, Klassifizierung sowie Regeln und Heuristiken kombinieren.
Die passende Anwendung künstlicher Intelligenz hängt von der Art des Problems (wie Prognose versus Optimierung) sowie von den verfügbaren Daten ab. Weitere wichtige Faktoren beinhalten rechnerische Effizienz sowie vorhandene Kapazitäten zur Datenverarbeitung. Langsame Datenverarbeitung kann zu veralteten Empfehlungen führen. Im schlimmsten Fall müssen Entscheidungen getroffen werden, bevor die Kalkulationen bereitstehen – damit ist KI außer Kraft gesetzt.
Daten und Mathematik sind mächtige Werkzeuge. Aber Computer sind noch nicht fähig, komplexe Planungsprozesse vollkommen selbstständig durchzuführen. Das gilt insbesondere für die turbulente Welt des Einzelhandels. Menschliche Intelligenz spielt also immer noch eine wesentliche Rolle.
Expertise ist gefragt, wenn unternehmerische Prioritäten festgelegt und unklar definierte oder neuartige Probleme gelöst werden sollen. Erweiterte Intelligenz – der Bereich der Entscheidungstheorie, der sich mit dem möglichst wirksamen Einsatz menschlicher Expertise durch technische Hilfe befasst – ist genauso wichtig wie KI.
Pragmatische KI für Genauigkeit und Automatisierung
Zur Handelsplanung gehören vielfältige Situationen und Entscheidungen. So stellen zum Beispiel Langzeitprognosen, die Glättung von Warenflüssen und das optimierte Bestellen von Frischeprodukten ganz verschiedene Problemarten dar. Es gibt hier nicht den einen Algorithmus oder die eine Methode, die auf all diese Situationen anwendbar ist.
Um Daten im Einzelhandel einen Sinn zu geben, benötigt es die volle Bandbreite an pragmatischer KI. Nur so werden Daten zu Empfehlungen und autonomen Entscheidungen. Dies beinhaltet künstliche Intelligenz und Machine-Learning-Algorithmen – aber auch fortgeschrittene statistische Modellierung, Optimierung, Simulation und Klassifizierung zusammen mit Regeln und Heuristiken. (Siehe Abbildung 2 für praktische Beispiele zu den jeweiligen Herangehensweisen).
Richtig angewendet, sind die Resultate von pragmatischer KI bemerkenswert: verbesserte Profitmargen, gesteigerte Umsätze, reduzierter Verderb und effektivere Nutzung von Bestand und Kapazität. Die Vorteile für Einzelhändler, deren Kunden und die Umwelt sind immens. (Lesen Sie mehr über die Resultate, die der der nordwestdeutsche Lebensmittelhändler Bünting erreicht hat).
Die Nutzung von pragmatischer KI sollte jedoch sorgfältig geplant werden:
- Die richtigen Methoden und Algorithmen müssen automatisch ausgewählt werden, basierend auf verfügbaren Daten und der Art des Problems.
- Alle KI-Konzepte müssen überprüft und, um dem Fortschreiten der Technologie und der Verfügbarkeit neuer Daten Rechnung zu tragen, angepasst werden.
- Die Methoden und Algorithmen müssen in der im Einzelhandel erforderlichen Größenordnung effizient und verlässlich arbeiten. Nur so lassen sich die Milliarden Prognosen und Abermillionen Warenflüsse im Handel effektiv managen.
- Alle pragmatischen KI-Ansätze müssen nahtlos zusammenarbeiten und die bereichsübergreifende Planung unterstützen.
- KI-Entscheidungen müssen vollkommen transparent sein, damit Nutzer diese nachvollziehen, ihnen vertrauen und sie gegebenenfalls anpassen können, ohne selbst Datenwissenschaftler zu sein.
Entscheidungshilfen und -analysen zum bestmöglichen Einsatz menschlicher Expertise
Der Zugang zu mehr Daten, bessere Algorithmen und die gestiegene Leistung bei der Datenverwertung machen die Entscheidungsfindung detailreicher, genauer und automatisierter. Dennoch besteht weiterhin Bedarf an Planungsexpertise.
Weil sich die Einzelhändler zurzeit neu erfinden, entstehen auch neue Situationen, für die noch nicht viele Daten vorliegen. Menschliches Fachwissen ist bei der Planung neuer Ladenformate oder Dienstleistungen wichtig. Ebenso werden viele komplexe Herausforderungen nur dadurch gelöst, dass menschliche Planer die verfügbaren Optionen mit Category-Managern oder Lieferanten besprechen. Letztendlich ist Planungsexpertise essenziell, um aus der individuellen Geschäftsstrategie jedes Einzelhändlers detaillierte Ziele zu formulieren, die darüber bestimmen, wie KI die Resultate optimiert.
Um Daten in Informationen und Empfehlungen zu verwandeln, ist Unterstützung nötig – erweiterte Intelligenz. Mit ihr lässt sich das Maximum aus der Expertise der Planer herausholen. Zusätzlich macht sie die Arbeit von Planern bedeutungsvoller, da diese weniger Zeit für das Bearbeiten von Routinedaten aufwenden müssen und sich auf die tatsächliche Entscheidungsfindung konzentrieren können. Planungstools müssen deshalb leistungsstarke Analysen beinhalten. Nur so wird keine Zeit beim Wechseln zwischen Systemen oder dem Warten auf Berichte verschwendet, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen.
Erweiterte Intelligenz im Einzelhandel erlaubt Planern:
- darauf zu vertrauen, vom System benachrichtigt zu werden, falls Probleme entstehen, die das System nicht selbst lösen kann;
- in dem System, in dem geplant wird, auf alle Daten zugreifen zu können,
- Daten zu analysieren, indem sie diese in feinem Detaillierungsgrad betrachten oder auf übergeordneter Ebene auf allgemeinere Muster hin untersuchen – völlig flexibel, in Echtzeit und mit Hilfe von aussagekräftigen Visualisierungen;
- Was-wenn-Szenarien „on-the-fly“ durchzuführen und zu vergleichen, um die Auswirkungen komplexer Entscheidungen auf jeden Bereich der Supply-Chain und funktionsübergreifend zu testen.
KI im Handel – Gewinner gehen noch einen Schritt weiter
Mit dem Hinzufügen von ein paar isolierten KI-Anwendungen zu seinen Planungsprozessen erreicht ein Einzelhändler noch keine Geschäftstransformation. Schnellere und bessere Entscheidungen setzen voraus, dass Händler sich den vollen Umfang der Entscheidungstheorie zunutze machen. Datenwissenschaft, die sich darauf konzentriert, Daten durch statistische Analysen und Algorithmen sinnvoll auszuwerten, reicht allein nicht aus. Um fundiertere Entscheidungen zu ermöglichen, braucht es die interdisziplinäre Anwendung von Wirtschaftswissenschaft, Mathematik, Technologie, Design Thinking und Verhaltenswissenschaften – das ist Entscheidungstheorie.
Zum Abschluss ein überzeugendes Argument von Dhiraj Rajaram: „Entscheidungstheorie erlaubt es, geschäftliche Herausforderungen anzugehen, die unklar definiert sind, sich verlagern und deren Einflussfaktoren nicht vollkommen verstanden werden. Sie macht sich das Paradigma von Design Thinking zu eigen: Geschäftsprobleme, die als Ahnung oder Mysterium beginnen so zu verwandeln, dass sie auf Regeln und Urteilen basieren, die dann zu Algorithmen werden, weil man Muster in ihnen erkennt, die wiederum kodifiziert und zu Tools werden, die dann in Systemen angewendet werden. Weiterhin ermöglicht es die fortlaufende Kreation, Übersetzung und Ausschöpfung von datengetriebenen Insights, die Unternehmen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Entscheidungstheorie basiert auf Datenwissenschaft und integriert diese durch das Hinzufügen von geschäftlichem Kontext, Design Thinking und Verhaltenswissenschaften.“ Genau das, was der Doktor verschrieben hat, oder nicht?
Quellenverzeichnis
Spezialisierung: Tuning für Ihre Datenverarbeitung erklärt die Technologie hinter Hochleistungsanalysen und erläutert ihre Verwendung in der Handelsplanung.
Erfolgreich im LEH: Best Practices für das Managen von Supply-Chains im Lebensmitteleinzelhandel stellt sieben Beispiele pragmatischer KI im echten Leben dar.
Why some data scientists should really be called decision scientists von Dhiraj Rajaram geht auf die Unterschiede zwischen Datenwissenschaft und Entscheidungstheorie ein.