Auf dem Gesundheitsmarkt nehmen pharmazeutische Großhändler eine komplexe Aufgabe als Bindeglied zwischen Lieferanten und Einzelhändlern wahr. Sie sehen sich dabei mit einigen Herausforderungen konfrontiert, die Großhändler und Distributoren in anderen Handelsbereichen nicht kennen. Diese spezifischen Gegebenheiten erhöhen die Notwendigkeit, schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können: Die Anpassungsfähigkeit der Pharmagroßhändler beeinflusst dabei nicht nur die Zufriedenheit der Verbraucher. Sie kann sich konkret auf deren Gesundheit und Lebensverhältnisse auswirken.
Verfügbarkeitsanforderungen und Bestandskosten in Einklang bringen
Doch welche Sorgen treiben Pharmagroßhändler im Zusammenhang mit ihrem Lieferketten- und Bestandsmanagement um?
- Verfügbarkeitsziele sind hoch und unterliegen staatlicher Regulierung: Um sie zu erfüllen, muss der Großhandel stets hohe Lagerbestände vorhalten. Dies kann mit erheblichen Kosten einhergehen.
- Die meisten Großhändler bedienen nicht nur den Einzelhandel. Kunden aus dem Gesundheitswesen, Krankenhäuser, Kliniken, Ärzte oder Notdienste haben andere Bedürfnisse als stationäre Apotheken. Umfang und Häufigkeit der Bestellungen weichen stark voneinander ab, zudem kann es zu Nachfrageverschiebungen kommen: Der Großhandel muss all diese Bedarfe mit den gleichen ihm zur Verfügung stehenden Strukturen erfüllen.
- Ändern sich die gesetzlichen Bestimmungen, wirkt sich das auf Betriebsmodelle und Sortimente aus. In manchen Regionen verlegen sich Großhändler erstmals darauf, ihr Geschäft auch auf den Einzelhandel auszuweiten, indem sie Verkaufsstellen erwerben und ihr Sortimentsangebot erweitern.
- Hersteller und Einzelhändler beeinflussen die Bestandsentscheidungen. Die mit Herstellern und Lieferanten getroffenen Vereinbarungen können die Bestandsplanung der Großhändler sogar stärker beeinflussen als die Nachfragesignale aus dem Einzelhandel.
- Substitutionen erhöhen die Komplexität. In den meisten Regionen gibt es einen riesigen Substitutionsmarkt, um Engpässe zu überbrücken. Da jedoch ständige Preisveränderungen beeinflussen, welche Medikamente Gesundheitsdienstleister und Versicherungen bevorzugen, ist die Verwaltung von Ersatzprodukten und Generika komplex.
Bei so vielen Einflussfaktoren ist es nicht einfach, eine genaue Planung der pharmazeutischen Lieferkette aufrechtzuerhalten und umzusetzen. Soll eine Softwarelösung eingesetzt werden, muss diese in der Lage sein, nahtlos das Hinzufügen neuer Produktkategorien, Vertriebskanäle oder Warendepots zu bewältigen. Die Lösung muss sich überdies schnell anpassen, um neue Einkaufsbeschränkungen und Änderungen der Lagerhaltungsstrategien abzudecken: etwa das Hinzufügen von zentralen Umschlagstellen, regionalen Distributionszentren oder Änderungen der Servicemodelle. Außerdem muss das System fähig sein, zu simulieren, welche betrieblichen Auswirkungen eine jede Änderung auf jeden Lagerstandort hat.
Abschnitt 1: Versorgungsziele setzen Pharmagroßhändler unter Druck
Pharmazeutische Großhändler stellen sich vor allem eine Frage: Wie lassen sich hohe Lagerbestände aufrechterhalten, ohne dass die Kosten ausufern? In den meisten Ländern schreibt der Gesetzgeber bindende Verfügbarkeitsziele vor. Um diese sicherzustellen, müssen Bestände vorgehalten werden, die erhebliche Kosten erzeugen. Selbst geringfügige Anpassungen der Bestandsentscheidungen wirken sich schnell signifikant auf die Kosten aus.
Bei der Entscheidung über die Höhe des Bestands ist unter anderem die Produktart zu berücksichtigen. Die Nachfrage nach verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für häufige und seltene Krankheiten bleibt in der Regel relativ konstant. Da es sich bei ihnen um regulierte Arzneimittel handelt, müssen Großhändler jederzeit Zugang zu den vorgeschriebenen Zielmengen haben – bei anderen Produkten können sie jedoch Einkauf und Lagerbestand flexibler planen.
Ein Beispiel: Medikament A wird in der Regel einmal pro Woche mit einer Lieferzeit von drei Tagen beim Lieferanten bestellt. Dies entspricht dem typischen Nachfragezyklus, jedoch kann der Großhändler im Notfall eine zusätzliche Bestellung mit kürzerer Lieferzeit beim selben Lieferanten aufgeben. Die Erfüllung dieser zusätzlichen Bestellung ist mit höheren Kosten verbunden, die jedoch unter Umständen nicht höher sind als die Kosten für eine überschüssige Vorratshaltung des Produkts.
Großhändler müssen die Kosten jedes Produkttyps gegenüber seinen jeweiligen Fulfillment-Optionen abgleichen können, wenn sie Bestandsentscheidungen treffen.
Darüber hinaus gibt es in den meisten Regionen riesige Substitutionsmärkte, um etwaige Engpässe zu überbrücken. Sollte also ein Problem mit einem bestimmten Lieferanten bestehen oder ein externer Faktor wie der Ausbruch einer Krankheit auftreten, müssen Großhändler in der Lage sein, ihre Optionen für die benötigten Produkte über alle verfügbaren Kanäle zu bewerten. Nur so können sie sicherstellen, dass sie den Verfügbarkeitsanforderungen schnell und so wirtschaftlich wie möglich gerecht werden.
Auch bei rezeptfreien Arzneimitteln muss die Verfügbarkeit bedacht werden
Während einige pharmazeutische Großhändler ihr Angebot bewusst auf Medikamente beschränken, erweitern andere ihr Sortiment um rezeptfreie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel, Gesundheitsprodukte, Wellness- und Beauty-Artikel und weitere.
OTC-Arzneimittel, die rezeptfrei über die Verkaufstheke gehandelt werden, wie etwa saisonale Allergie- und Erkältungsmedikamente, sind zwar nicht so stark reguliert, stellen aber ähnliche Kostenprobleme hinsichtlich der Verfügbarkeitsziele dar. Die Nachfrage nach saisonalen und langsamdrehenden Medikamenten ist schwer vorhersehbar: Sie kann aufgrund von Wetterveränderungen, Umweltfaktoren wie dem Auftreten von Allergenen oder Krankheitsausbrüchen, aber auch in Folge von Marktfaktoren wie Preis und Werbekampagnen stark schwanken.
Bei schnelldrehenden Medikamenten sind es meist Lagerkapazität und Bestellhäufigkeit, die zu Problemen bei der Disposition führen. Bei langsamdrehenden oder saisonalen Produkten stehen den Grossisten nicht viele Verkaufsdaten zur Verfügung. Wenn die Daten besonders spärlich sind, kann ein modernes System aus den vorhandenen Informationen Prognosen auf mehreren aggregierten Ebenen erstellen, um die nachfragebeeinflussenden Faktoren zu schätzen und die Genauigkeit zu erhöhen.
Um die Verfügbarkeit verschiedener Produkttypen zu verwalten, benötigen Pharmahändler ein System, mit dem sie schnell und effizient Regeln erstellen und überarbeiten können, um ihre Bestandsentscheidungen zu treffen. Ein solches System wertet automatisch Daten aus dem Einzelhandel aus und kann etwa die Verkaufshäufigkeit gegenüber den Kosten für die Lagerung des Produkts aufrechnen: So lässt sich bestimmen, ob der Großhändler einen Artikel vorhalten sollte und falls ja, in welcher Menge.
Der Schweizer Pharmavollgrossist Galexis verwaltet mehr als 120.000 Bestellpositionen und 4.000 Lieferungen pro Tag. Durch die Automatisierung der Dispositionsprozesse konnte Galexis den Lagerumschlag um 12 % erhöhen und die Automatisierung von 48 % auf 88 % steigern, während die Verfügbarkeit gleichbleibend bei 98 % gehalten wurde. Außerdem gibt das System Warnungen aus, wenn Nachfrageschwankungen oder mögliche Lieferengpässe entdeckt werden, und schlägt automatisch eine Expresslieferung vor.
Auch Verderb stellt ein Risiko dar, das sich auf Verfügbarkeit und Kosten auswirkt. Großhändler müssen in der Lage sein, Regeln für Verfallsdaten und besondere Lagerungserfordernisse wie Temperaturkontrolle zu erstellen. Auch müssen sie die Kosten für erhöhte Lagerbestände gegenüber den Kosten für das eigentliche Bestandsmanagement abwägen, insbesondere bei einmaligen Verschreibungen.
Abschnitt 2: Jeder Kundentyp stellt eigene Anforderungen an Bestellumfang, -frequenz und -geschwindigkeit
Die Verfügbarkeit in den Verteilzentren zu gewährleisten, ist für Großhändler nur die halbe Miete. Denn wenn sie die Medikamente nicht dorthin liefern können, wo sie benötigt werden und wann sie benötigt werden, hat das unweigerlich ernste Folgen. Ein schneller Service ist bei verschreibungspflichtigen Medikamenten entscheidend, und Grossisten müssen die Logistik für unterschiedliche Kunden verwalten.
Beispielsweise sind die Lieferungen an stationäre Apotheken klein und erfolgen mehrmals am Tag, was eine hohe Umschlagskapazität im Distributionszentrum erfordert. Deshalb sind Großhändler auf optimierte Lagerprozesse angewiesen, um eine große Anzahl von Bestellpositionen in jeweils kleinen Mengen und an mehreren Standorten in kurzer Zeit effektiv zu verwalten.
Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens bestellen in der Regel in größeren Mengen und weniger häufig. Außerdem bedingen staatlich vorgeschriebene Sicherheitsbestände, dass im Notfall schnell auf plötzliche Nachfragespitzen reagiert werden kann. Um die hohen Kapazitätsanforderungen der kleinen, untertägigen Bestellungen und der größeren, weniger häufigen Bestellungen zu bewältigen – und um auf Nachfragespitze in Notfällen ausreichend vorbereitet zu sein –, benötigen Großhändler ein System, das verschiedene Bestellarten für alle Situationen von einer zentralen Stelle aus verarbeiten kann. Beispiele für Bestellarten sind:
- Beim virtuellen Reservieren von Teilbeständen werden verschiedene Kunden und Kanäle aus demselben Bestandspool bedient. So wird sichergestellt, dass ein Kunde mit hohem Bestellvolumen nicht einem anderen potenziell wichtigen Kunden mit geringerem Bestellvolumen den gesamten Bestand wegkauft.
- Bei der Allokation in Engpass-Situationen können Großhändler ihre verfügbaren Bestände so zuteilen, dass sie bestimmten Kunden Vorrang einräumen und jedem einen angemessenen Anteil entsprechend seiner strategischen Bedeutung zuweisen.
- Kunden- und Lieferantenbestellungen können einem Typ zugewiesen werden, um den Nachschub zu priorisieren oder eine benutzerdefinierte Logik zu steuern, beispielsweise, um Bestellungen mit einer kürzeren Lieferzeit zu ermöglichen.
Abschnitt 3: Änderungen regionaler Vorschriften führen dazu, dass Pharmagroßhändler ihre Betriebsmodelle und Angebote überdenken
In vielen Regionen der Welt kommt es zu Verschiebungen der Betriebsmodelllandschaft
Während sich Abläufe und Anforderungen von Region zu Region unterscheiden, fallen die pharmazeutischen Großhändler selbst in zwei Kategorien mit unterschiedlichen Funktionen: diejenigen, die eigene Einzelhandelsverkaufsstellen besitzen, und diejenigen, die dies nicht tun. Heute verschwimmen jedoch die Grenzen, und viele Großhändler suchen nach Möglichkeiten, sich in andere Richtungen zu entwickeln.
Traditionelles Großhandelsmodell
Distributoren, die keine eigenen Apotheken besitzen, sondern ausschließlich als Großhändler an der Schnittstelle zwischen Herstellern und (Einzelhandels- und Nicht-Einzelhandels-)Kunden auftreten, sind in vielen Regionen das typischste Modell. In einigen Ländern ist dies auf staatliche Vorschriften zurückzuführen, die den Besitz von Einzelhandelsgeschäften durch Großhändler einschränken.
Der Vorteil des traditionellen Großhandelsmodells besteht darin, dass sich der Grossist ausschließlich auf die Kapazitäten in den Logistikzentren konzentriert und seine Aufmerksamkeit nicht zwischen diesen und seinem Einzelhandelsbetrieb aufteilen muss. Ist er zugleich der einzige Großhändler für ein bestimmtes Produkt, kann er sich auf sämtliche Kunden und Kanäle gleichermaßen konzentrieren – anders, als das mit der Unterscheidung eigener und dritter Verkaufsstellen möglich wäre.
Die Quantität und Qualität von Daten machen jedoch auch das traditionelle Großhandelsmodell zunehmend komplex. Denn im Gegensatz zu denjenigen, die über eigene Verkaufsstellen verfügen, haben traditionelle Großhändler nicht den gleichen Zugang zu den Absatzdaten ihrer Kunden. Aufgrund dieses Datenmangels müssen sie sich auf Gesamtbetrachtungen verlegen und beispielsweise Bestandsauf- und Abbaustrategien für Langsamdreher und saisonale Artikel entwickeln. Hinzu kommt, dass die Großhändler saisonale Produkte nicht im Voraus den Filialen von Drittanbietern zuteilen können. Somit bleibt ihnen keine andere Wahl, als den gesamten Bestand in ihren Verteilzentren zu verwahren, was die Lagerkosten erhöht.
Die schlechtere Datenlage geht also zu Lasten der Genauigkeit und zwingt Großhändler, höhere Lagerbestände zu führen und möglicherweise auch ihre Einkaufshäufigkeit zu erhöhen, um die fehlende Dateneinsicht wettzumachen.
Modell eigene Apotheken
In manchen Ländern war es pharmazeutischen Großhändlern schon immer erlaubt, eigene Einzelhandelsgeschäfte zu betreiben. In anderen Regionen, vor allem im europäischen Raum, haben sich die Bestimmungen in jüngster Zeit geändert, sodass es ihnen nun gestattet ist, unabhängige Apotheken zu erwerben. Dieser Trend bietet den Großhändlern klare Vorteile, bringt aber auch zusätzliche Schwierigkeiten mit sich, mit denen sie bisher vielleicht nicht konfrontiert waren.
Wichtigster Vorteil für Großhändler mit eigenen Einzelhandelsverkaufsstellen ist der Zugang zu Daten. Dadurch, dass sie Einblick in die Verkaufs- und Prognosedaten ihrer eigenen belieferten Filialen haben, können sie proaktiv planen: für Saison- und Kampagnenprodukte und für Nachfrageverschiebungen aufgrund von Substitutionen. Für Grossisten, die Neuland betreten und erstmals in den Einzelhandel einsteigen, ergeben sich einige Herausforderungen: Sie müssen sich nun mit Themen wie Sortiments- und Flächenplanung, Bestandsmanagement über mehrere Verkaufskanäle hinweg und dem Umgang mit den Erwartungen und der Zufriedenheit der Endverbraucher auseinandersetzen.
Bei großen Grossisten ist es zudem möglich, dass die eigenen Apotheken nur ein Teil der Nachfrage darstellen, die sie abdecken müssen. Wie bereits erwähnt, beliefern sie unter Umständen auch Nicht-Einzelhandelsunternehmen wie Krankenhäuser, staatliche und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Gemischter Modellansatz und Lieferanten-gesteuerter Bestand (Vendor Managed Inventory = VMI)
In vielen Regionen der Welt weichen die Grenzen zwischen den oben erwähnten Modellen auf, und Großhändler beider Modelle gehen zu einem gemischten Ansatz über. Sie erwerben unabhängige Verkaufsstellen und bedienen sowohl eigene als auch Einzelhandelsgeschäfte Dritter sowie Nicht-Einzelhandelskanäle. Um die Effizienz und Genauigkeit für ihre Drittkunden zu steigern, fügen viele auch das Angebot des Lieferanten-gesteuerten Bestands (VMI) hinzu.
Ein gemischter Modell-Ansatz bietet Großhändlern zwei Vorteile: erstens verbreitert sich ihr Kundenstamm und wird dadurch solider. Zweitens erhalten sie so die Möglichkeit, ein umfangreicheres Sortiment anzubieten, wie beispielsweise Gesundheits- und Schönheitsprodukte und andere allgemeine Artikel. Einige Großhändler entscheiden sich dafür, ihr Sortiment strikt auf medizinische Produkte zu beschränken. Vor allem im europäischen Raum geht der Trend jedoch zur Sortimentserweiterung. Deren Vorteile sind zahlreich, dennoch gilt: Je breiter das Sortiment, desto komplexer die Planung in den Distributionszentren, insbesondere wenn es um die Verwaltung von Langsamdrehern und Kampagnen geht.
Die Erweiterung der Kundenliste bietet zwar Potenzial für wachsende Umsätze, sie vergrößert aber auch die Bandbreite einer bereits vielfältigen Kundengruppe. Je umfangreicher die Kundenliste wird, desto wichtiger ist es, jeden einzelnen Kunden zu priorisieren und nach dessen individuellen Bedürfnissen unterschiedlich zu behandeln. Zusätzliche Kunden eröffnen auch die Chance für neue Absatzkanäle wie Online-Kanäle und neue Arten von Nicht-Einzelhandelskanälen. Solche neuen und expandierenden Verkaufskanäle stellen wiederum eine beträchtliche Quelle von Komplexität in der Planung dar: in Bezug auf die Bestandssegmentierung, die Entscheidung über Bestandsmengen und die Ausführung von Bestellungen.
Indem sie VMI als Dienstleistung anbieten, können Großhändler unabhängige Apotheken bei der Verwaltung der täglichen Disposition unterstützen – das verbessert den Kundenservice in den Apotheken, optimiert deren Produktsortiment und hilft ihnen, ihre Gewinnspannen zu schützen. Durch die Ausweitung ihres Dienstleistungsangebotes auf die direkte Warendisposition ihrer Kunden umschiffen Großhändler einige der Probleme, die der Mangel an Daten verursacht. So schaffen sie ein integriertes Lieferkettenmodell, das genauso funktioniert, als würden sie ihre eigenen Apotheken beliefern.
Der italienische Pharmagroßhändler Unifarm beliefert 1.900 unabhängige Apotheken in Norditalien und Sardinien mit rund 41.000 SKUs. Der Einsatz automatisierter und adaptiver Prognose- und Dispositionsfunktionen von Unifarms VMI-Angebot hat den Apotheken, die diesen Service nutzen, deutliche Ergebnisse beschert: eine Bestandsreduktion um 30 %, dazu 20 % weniger entgangene Umsätze und eine durchschnittliche Zeitersparnis von 2 Stunden pro Tag für manuelle Dispositionsprozesse.
Um eine Expansion erfolgreich zu bewältigen, sind hochautomatisierte Lager erforderlich. Diese sind teuer in der Einrichtung und Wartung, weshalb die Anlagen voll ausgelastet werden müssen. Der Betrieb bei voller Kapazität oder knapp darunter ist jedoch ein Drahtseilakt, und eine Überschreitung der Lager- oder Umschlagskapazität kann sehr kostspielig werden. Dispositionssysteme müssen sowohl die vorhandenen Flächen als auch die Kapazitäten kennen und miteinbeziehen können, um die Gesamtarbeitslast im Distributionszentrum auszugleichen. Großhändler benötigen automatische, regelbasierte Lösungen zur Verarbeitung von Absatzdaten über mehrere Kundentypen und Produktkriterien hinweg. Nur so lassen sich die Prognosegenauigkeit und Kommissioniereffizienz maximieren und verschiedene Bestellungen von einem zentralen Standort aus ausführen.
Abschnitt 4: Bestandsentscheidungen sind oft stärker von Lieferanten abhängig als von Einzelhändlern
Absprachen und Zusammenarbeit mit Lieferanten wirken sich auf die Bestandszahlen aus
In jeder Branche versuchen Zwischen- und Großhändler, die Balance zwischen Lieferanten und ihren Einzelhandelskunden zu halten. In der Regel basieren ihre Bestandsentscheidungen jedoch auf den Absatzdaten der Einzelhändler. Auf dem Gesundheitsmarkt sieht das anders aus: In vielen Ländern beeinflussen die Absprachen mit den Lieferanten das Bestandsmanagement der pharmazeutischen Großhändler stärker als die Nachfrage aus dem Einzelhandel.
In einigen Regionen konkurrieren die Grossisten um Exklusivrechte: Sie dürfen dann als einziger ein Arzneimittel an alle Kunden verkaufen. Während der Lieferant davon profitiert, dass er für ein Medikament nicht mit mehreren Großhändlern zusammenarbeiten muss, steht der Großhändler in der Pflicht, das Produkt in jeden Kanal zu bringen, der es benötigt. Besitzt der Großhändler Apotheken, muss er seine eigenen Apotheken, alle konkurrierenden Apotheken und den Bedarf des Gesundheitswesens oder öffentlicher Stellen bedienen – in der Regel aus demselben Warenlager.
Nicht immer trägt der Großhändler die Kosten für die Waren in seinen Distributionszentren: Je nach Vereinbarung mit den Lieferanten kann es sein, dass der Lieferant die Kosten trägt, bis der Großhändler das Produkt versendet. Daneben können auch Absprachen über eine gemeinsame Investition bestehen. Unabhängig davon, wer für die Kosten aufkommt, muss der Großhändler den Platz für das Produkt finden und sich um dessen Lagerungsanforderungen kümmern (etwa die vorgeschriebene Temperatur), was für sich genommen bereits Kosten im Verteilzentrum verursacht.
All diese Faktoren in Verbindung mit der lokalen Gesetzgebung erschweren es Großhändlern abzuschätzen, welche Produkte sie zu einem bestimmten Zeitpunkt vorrätig haben werden und welche Bestandsmengen sie vorhalten müssen. Sie benötigen deshalb ein System, das ihnen eine hohe operative Effizienz garantiert und das Teilen von Prognosen mit den Lieferanten ermöglicht. Eine engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten bietet viele Vorteile: Durch das gemeinsame Festlegen der Verfügbarkeitsziele für die verschiedenen Produkttypen werden wertvolle Einblicke gewonnen, wodurch die Genauigkeit erhöht und kostspielige Fehlbestellungen von zu viel oder zu wenig Ware minimiert werden. Darüber hinaus ermöglicht die kollaborative Planung den Grossisten, sich proaktiv auf Lieferprobleme der Lieferanten einzustellen, sobald sie einen potenziellen Engpass erkennen.
Abschnitt 5: Substitutionen lösen Markt- und Preisverschiebungen aus, die zu schneller Kannibalisierung führen
Der Arzneimittelmarkt ist hart umkämpft und ständig in Bewegung: Eines der komplexesten Probleme, mit denen sich Pharmahändler auseinandersetzen müssen, ist der Umgang mit dem kontinuierlichen Kreislauf von Substitutionen. Die häufigste Ursache dieser Marktverschiebungen sind auslaufende Patente oder sich ändernde Vorschriften, die eine Schwemme von Generika auf dem Markt auslösen. Die neuen Produkte führen zu Preisverschiebungen, in deren Folge es zu Verhandlungen zwischen Krankenversicherern und den Herstellern der präferierten Arzneimittel kommt. In den meisten Fällen wissen Großhändler nicht, wie viele Generika zu erwarten sind, wann diese auf den Markt kommen und wer sie liefern wird.
Es gibt Länder, deren Praktiken und Vorschriften besonders komplex sind. In Dänemark zum Beispiel geben die Hersteller alle zwei Wochen ein neues Gebot für den Verkaufspreis jedes Produkts ab. Diese Praxis gilt sowohl für verschreibungspflichtige als auch für rezeptfreie Arzneimittel, sodass Verschiebungen der Produktnachfrage alle vierzehn Tage die Regel sind. Für Großhändler kann das bedeuten, dass ein Produkt, das sich nur langsam oder gar nicht dreht, plötzlich bevorzugt wird und die Nachfrage nach allen vergleichbaren Produkten kannibalisiert. Zwei Wochen später kann sich die Situation wieder völlig neu gestalten.
Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind die Apotheken in vielen Ländern verpflichtet, das günstigste Generikum zu empfehlen. Die verordnenden Ärzte oder Verbraucher können das bevorzugte Medikament jedoch zugunsten einer bestimmten Marke ablehnen: Das bedeutet, dass der Grossist die Verfügbarkeit aller vergleichbaren Medikamente sicherstellen muss. Bei rezeptfreien OTC-Arzneimitteln hat das zur Folge, dass, auch wenn einige Verbraucher markentreu sind, das jeweils günstigste Produkt stets alle Alternativen kannibalisiert. Großhändler müssen schnell auf die Nachfrage nach allen Arzneimitteltypen reagieren und dabei gleichzeitig Faktoren wie die Saisonabhängigkeit berücksichtigen können, um möglichst wirtschaftliche Bestandsentscheidungen zu treffen.
In all diesen Fällen hat der Großhändler wenig oder keinen Einblick in die Prozesse, die plötzliche Marktverschiebungen verursachen: Er kann lediglich darauf reagieren. Selbst wenn ihm bekannt ist, dass eine Änderung bevorsteht, liegen ihm keine belastbaren Daten dazu vor. Im Allgemeinen findet auch keine detaillierte gemeinsame Planung mit den Lieferanten für solche Ereignisse statt. Sind jedoch Hunderttausende von Artikeln, Zehntausende von Bestellpositionen und Tausende von Lieferungen pro Tag zu bewältigen, müssen Pharmahändler vor allem agil und flexibel sein. Dabei hilft ihnen ein automatisches Dispositionssystem, mit dem sie schnell auf häufige und wiederkehrende Marktveränderungen reagieren können. Das System erlaubt ihnen auch, Prognosen nach verschiedenen Kriterien jenseits der SKU-Ebene zu erstellen: So haben sie die Verwaltung von Ersatzprodukten und Generika im Griff, unabhängig davon, ob deren Nachfrage sich durch gesetzliche Bestimmungen, den Preis, eine Saisonabhängigkeit oder das Marketing verändert.
Trotz rascher Veränderungen das Gleichgewicht bewahren
Als Drehkreuz zu agieren, ist alles andere als einfach: Produkte wollen aus verschiedenen Richtungen und über mehrere Kanäle hinweg verwaltet und alles nahtlos in Gang gehalten werden. Für Pharmahändler ist dies die tägliche Herausforderung. Sie müssen ein Gleichgewicht zwischen Lieferanten und Einzelhändlern herstellen, um gesetzliche Vorschriften und Verfügbarkeitsanforderungen zu erfüllen, die Belieferung von Einzelhandels- und Nicht-Einzelhandelskanälen verwalten und auf einen sich schnell verändernden Produktmarkt mit minimaler Vorwarnung reagieren.
Doch auch jenseits der Bedürfnisse ihrer Kunden sind Pharmahändler auf der Suche nach neuen Wegen, ihre Geschäfte und Angebote zu strukturieren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, gilt es, ihren Partnern einen Mehrwert zu bieten. Eine Sortimentsausweitung bietet wertvolle Möglichkeiten, erhöht aber auch die Komplexität und die Kapazitätsanforderungen. Neue Kundentypen und die Verwaltung eigener und dritter Apotheken, einschließlich des Trends zu VMI-Angeboten, eröffnen Großhändlern eine Vielzahl von betrieblichen Optionen. Dennoch sollten sie die Vor- und Nachteile einer Umstellung ihres derzeitigen Betriebsmodells sorgfältig abwägen.
Unabhängig davon, welchen Weg sie einschlagen, gilt für alle Pharmahändler der gleiche Grundsatz: Wenn sie ihre Dispositionsprozesse automatisieren, können sie riesige Datenmengen mit der erforderlichen Geschwindigkeit verarbeiten, um mit den Anforderungen ihrer Lieferanten und der Einzelhändler Schritt zu halten. Sie reduzieren den Zeitaufwand für das manuelle Verwalten von Bestellungen, klassifizieren Produkte schnell anhand von Verkaufsmustern und Attributen wie Wirkstoff oder Preis und optimieren Sicherheitsbestände und Auffüllregeln entsprechend. So erhöhen sie die Genauigkeit von Prognosen und Disposition und profitieren von höherer Umschlaggeschwindigkeit, da die gleiche Nachfrage mit geringeren Lagerbeständen bedient werden kann.