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Mit wetterbasierten Prognosen fällt die Supply-Chain-Planung nicht ins Wasser

Mar 14, 2018 6 min

Dass das Wetter deutliche Schwankungen der Konsumentennachfrage bedingen kann, ist bekannt. Durch den Peitscheneffekt kommt es auch bei Händlern zu unnötig hohen Fluktuationen. Diese verursachen Kosten: Bei extensiver Vorbereitung sind die Kapazitäten auf allen Ebenen der Lieferkette schnell ausgereizt und der Verderb steigt. Ohne nötige Vorkehrungen gehen möglicherweise beträchtliche Umsätze verloren. Das betrifft nicht nur Out-of-Stocks: Insbesondere bei extremen Wetterverhältnissen entscheiden sich Kunden für den Besuch in der Filiale, die die benötigten Artikel führt. Beispielsweise gekühlte Getränke bei sommerlichen Temperaturen.

Also wie stellen sich Einzelhändler optimal auf wetterbedingte Schwankungen ein?

Jeder kennt Zusammenhänge zwischen Nachfrage und Witterungsbedingungen und die dadurch entstehenden Muster: Heiße Temperaturen kurbeln den Absatz von Speiseeis an, bei Regen verkaufen sich mehr Regenschirme… Bezieht man aber das gesamte Sortiment ein, wird es komplizierter. Wie identifiziert man, welche Produkte vom Wetter beeinflusst werden und welche nicht? Wie misst man, welches Produkt wie stark auf welches Wetter reagiert?

An einer automatisierten Lösung führt hier kein Weg vorbei. Diese sollte die Daten verarbeiten und – basierend auf dem Grad der Wetterempfindlichkeit und dem Zusammenhang zwischen Nachfrage und Wetter – Empfehlungen aussprechen. Hier liefert Machine-Learning einen deutlichen Mehrwert: Weder kennen wir die tatsächlichen Beziehungen zwischen der Nachfrage nach einem Produkt und dem Wetter, noch können wir diese für jedes Produkt, jede Produktkategorie oder jede Filiale analysieren. Deshalb erlernt die Software die entsprechenden Muster und verwertet das Ergebnis in der Absatzprognostizierung. Es werden nur Wetter-Variablen genutzt, die die Nachfrage tatsächlich beeinflussen. Das führt zu stabileren und exakteren Ergebnissen. Zusätzlich deckt der Algorithmus Zusammenhänge auf, die Menschen entgehen: Beispielsweise einen Bezug zum Wetter, der zwar statistisch signifikant ist, aber in der Größenordnung gering ausfällt. Der Einsatz eines Machine-Learning-Algorithmus bringt demzufolge zwei Vorteile: präzisere Nachfrageprognostizierung und eine erhebliche Zeitersparnis.

Obwohl das Wetter signifikanten Einfluss auf den Absatz bestimmter Produkte haben kann, ist es nicht sinnvoll, diesen nur auf Grundlage des Wetters zu prognostizieren. Die Lösung sind „Hybrid”-Methoden. Sie verwenden mehrere Prognosemodelle simultan, wobei das nachfolgende Modell jeweils aus den Fehlern des Vorgänger-Modells lernt. Anders ausgedrückt: Die Antwortdaten, in die wir die Wetterdaten eingliedern wollen, sind die Fehler eines anderen Modells. Im Allgemeinen wird zuerst eine Basis-Prognose für einen Zeitraum in der Vergangenheit mit Hilfe der üblichen Zeitreihenmethode berechnet. Als nächstes wird der Fehler dieser Prognose kalkuliert und dann bestimmt, welche Wetter-Variablen die Fehler in der Zeitreihenprognose am besten erklären. Das ist vorteilhaft, da der wetterbasierte Teil des Modells Effekte wie normale Wochentagschwankung, Saisonalität, Feiertage oder Promotions nicht berücksichtigen muss und die Interpretation und Berechnung der Modelle erleichtert wird.

Die Abbildungen 1–3 stellen die Rechenlogik der hybriden wetterbasierten Umsatzprognosestruktur dar. Abbildung 1 zeigt das Verhältnis von Temperatur und Zeitreihenprognosefehler der Kategorie Speiseeis. Die Korrelation ist negativ, denn bei einem Temperaturanstieg ist die Zeitreihenprognose zu niedrig, und umgekehrt. In Abbildung 2 verringert die wetterkorrigierte Prognose den Fehler über den gesamten Zeitraum in beide Richtungen. Das zeigt den starken Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach Speiseeis und der Temperatur, da die Veränderung der Temperatur die Nachfrage nach Speiseeis sowohl erhöht als auch mindert. Abbildung 3 zeigt die tatsächlichen Umsätze, die Zeitreihenprognose und die wetterkorrigierte Prognose, die sich aus dem Ergebnis des Wetter-Modells, das zu der Zeitreihenprognose addiert wird, ergibt.

Abbildung 1. Zeitreihenprognosefehler bei Speiseeis und Temperatur
Abbildung 2. Zeitreihenprognosefehler und wetterkorrigierter Prognosefehler von Speiseeis und Temperatur
Abbildung 3. Umsatz, Zeitreihenprognose und wetterkorrigierte Prognose von Speiseeis

Best Practices für die wetterbasierte Umsatzprognostizierung

Es ist am effektivsten wetterbasierte Umsatzprognostizierung auf dem Fundament solider Basis-Prognosen zu nutzen, die Größen wie Wochentagschwankung, Saisonalität, Trends, Feiertage und Promotions automatisch berücksichtigen – so konzentriert sich das Wetter-Modell nur auf die Wetter-Effekte. Zugleich wird dadurch sichtbar, welcher Teil der Prognose aus welchem Prognosemodell stammt. Das sorgt für mehrere positive Effekte bei der Nutzung von Wetterdaten: Unterschiedliche Modelle und deren Ergebnisse können getrennt werden, um beispielsweise zu messen, ob der Einbezug des Wetters tatsächlich die Prognosegenauigkeit verbessert. Darüber hinaus lassen sich die verschiedenen Modelle transparent vergleichen. Zum Beispiel wird geprüft, ob eine bevorstehende wetterbasierte Prognose-Erhöhung sinnvoll ist und ob sie eine Reaktion des Einzelhändlers erfordert.

Es empfiehlt sich, einen Prozess für die wetterbasierte Umsatzprognostizierung zu erstellen, der iterativ Modelle auf verschiedenen Ebenen in Betracht zieht. Die Kombination von SKU und Filiale bildet das niedrigste und meist exakteste Level. Theoretisch kann also jedes Produkt in jeder Filiale ein gesondertes Modell erhalten, da jeder Artikel und jede Filiale anders auf Wettereinflüsse reagiert. Ausschlaggebend ist hier die Lage der Filiale. Vergleicht man eine Filiale in zentraler Lage mit großem Touristenaufkommen mit einem Hypermarkt, der nur mit dem Auto erreichbar ist, weist die zentral gelegene Filiale für gewöhnlich eine weit höhere Wetter-Reaktivität auf, als der Hypermarkt.

Man erzielt die besten Ergebnisse, wenn einige der differenzierteren Wettereffekte berücksichtigt werden (neben den Wetter-Rohdaten). Hierzu zählt die Wochentagschwankung: Zusätzlich zu den normalen Schwankungen kann die Wetterreaktivität unter der Woche und an Wochenenden variieren. Auch die Wetterbedingungen aus Vergangenheit und Zukunft sind relevant: Die Reaktion auf das Wetter fällt für gewöhnlich am ersten sonnigen Wochenende im Frühling viel stärker aus als an einem sonnigen Wochenende mitten im Sommer, wenn es bereits viele sonnige Wochenenden gab. Konsumenten planen oft entsprechend der Wettervorhersage voraus und erledigen ihre Einkäufe beispielsweise lieber unter der Woche, wenn ein Wochenende mit schönem Wetter vorhergesagt ist. Selbstverständlich müssen auch Nichtlinearitäten der Witterungseinflüsse berücksichtigt werden. So können zwar hohe Temperaturen die Nachfrage erhöhen, sehr hohe Temperaturen jedoch zu einem Abflauen der Nachfrage führen, da die Konsumenten zu Hause bleiben.

Die Wetterreaktivität kann zu verschiedenen Jahreszeiten stark variieren: Speiseeis ist im Sommer wettersensitiv, jedoch nicht im Winter. Abbildung 4 stellt zeigt dies. Die Temperaturschwankung ist im Jahresverlauf in etwa gleichbleibend, während die Umsatzschwankung sich im Sommer und Winter deutlich unterscheidet. Es ist daher nicht sinnvoll, im Winter wetterbasierte Prognosen zu nutzen, da das Wetter kaum Einfluss auf den Umsatz hat. Im Sommer hingegen schwanken die Umsätze stark und es ist notwendig, das Wetter in die Umsatzprognosen miteinzubeziehen. Das Wetter-Modell kann deshalb für einen begrenzten Zeitraum aktiviert werden: In der Zeit, in der keine Notwendigkeit für wettergestützte Prognosen besteht, werden diese nicht beachtet, wie zum Beispiel der Winter in Abbildung 4. Das Wetter-Modell ist so präziser, da unnötiges Rauschen außer Acht gelassen wird.

Abbildung 4. Wetter-Reaktivität von Speiseeis im Sommer und Winter

Wetterbasierte Umsatzprognostizierung bei RELEX

RELEX’ wetterbasiertes Prognosemodell verwendet einen Machine-Learning-Algorithmus, um den Zusammenhang zwischen Wetter und Nachfrage abzubilden. So werden automatisch die Produkte identifiziert, die wettersensitiv sind und Verhältnisse zwischen der Nachfrage nach diesen Produkten sowie verschiedenen Wetter-Variablen und die Wichtigkeit dieser Beziehungen aufgedeckt. Das Modell gibt Wetterkorrekturen aus, die mit der Zeitreihenprognose kombiniert werden. So entsteht eine um den Faktor Wetter korrigierte Prognose mit verbesserter Prognosegenauigkeit. Mit RELEX erfolgt der gesamte Prozess vom Abrufen der Wetterdaten bis zur Berechnung einer wetterkorrigierten Prognoseautomatisiert. Daten eines globalen Wettervorhersage-Anbieters sind in die Software integriert: sie werden basierend auf den Koordinaten der Filiale abgerufen. Falls gewünscht, kann das System auch mit einem anderen Anbieter vernetzt werden.

Beitrag von

Aki Ali-Vehmas

Data Scientist